Mansfield Park
Williams Teller sich mit den zerbrochenen Eierschalen an Henry Crawfords Platz in ihre Gefühle teilten. Sie saß da und weinte «con amore», wie es der Absicht ihres Onkels entsprach, aber es war nur schwesterliche Amore und keine andere. William war fort – und jetzt dünkte es sie, sie hätte die Hälfte seines Besuches mit müßigen Dingen und selbstischen Sorgen vergeudet, die nichts mit ihm zu tun hatten.
Fanny war so geartet, daß sie nicht einmal an Tante Norris in der Dürftigkeit und Freudlosigkeit ihres engen Häuschens denken konnte, ohne sich vorzuwerfen, sie habe es beim letzten Zusammensein an irgendeiner kleinen Aufmerksamkeit für die Tante fehlen lassen; um wieviel weniger vermochte sie sich von dem Gefühl zu befreien, nicht alles getan und gesagt und gedacht zu haben, was ihrem William in diesen zwei Wochen gebührt hätte!
Der Tag schleppte sich schwer und schwermütig dahin. Bald nach dem zweiten Frühstück verabschiedete sich auch Edmund für eine volle Woche und bestieg sein Pferd, um nach Peterborough zu reiten. Jetzt waren sie alle fort. Vom gestrigen Abend war nichts geblieben als Erinnerungen, und sie hatte keinen Menschen, mit dem sie sie teilen konnte. Sie sprach mit ihrer Tante Bertram – sie mußte einfach mit jemandem über den Ball sprechen, aber ihre Tante hatte von dem, was um sie vorging, so wenig bemerkt und zeigte so geringes Interesse, daß es ein schweres Stück Arbeit war. Lady Bertram wußte nur, welches Kleid sie selbst getragen und wo sie selbst beim Souper gesessen hatte, sonst nichts. Sie erinnere sich nicht mehr, was man ihr von einem der Fräulein Maddox erzählt hatte – und Lady Prescott hätte eine Bemerkung über Fanny gemacht, aber sie könne sich nicht darauf besinnen – sie wäre nicht sicher, ob Oberst Harrison William oder Mr. Crawford gemeint hatte, als er sagte, das sei ein prächtiger junger Mann – irgend jemand hätte ihr etwas zugeflüstert, sie hätte vergessen, Sir Thomas zu fragen, was es bedeutete … Das waren die zusammenhängendsten Sätze und klarsten Mitteilungen, die Fanny ihrer Tante entlocken konnte. Der Rest war nur ein träges «Ja, ja … Sehr gut … Ach, wirklich? … So, das war er? … Nein, ich weiß nicht … Ich kenne sie nicht auseinander …» Das war sehr schlimm, und nur Mrs. Norris’ spitzige Bemerkungen wären noch schlimmer gewesen. Doch da sie mit dem ganzen übriggebliebenen Gelee nach Hause gegangen war, um ein erkranktes Dienstmädchen zu pflegen, herrschten im Salon wenigstens Friede und Freundlichkeit, wenn es auch sonst nicht viel zu rühmen gab. Der Abend verlief ebenso langweilig wie der ganze Tag. «Ich weiß gar nicht, was mit mir ist», sagte Lady Bertram, als der Teetisch abgeräumt war. «Mir ist ganz dumm zumute. Es kommt sicher vom langen Aufbleiben. Fanny, du mußt etwas tun, damit ich nicht einschlafe. Arbeiten kann ich nicht. Hol die Karten – mir ist ganz dumm zumute.»
Die Karten wurden gebracht, und Fanny spielte mit ihrer Tante «Cribbage», bis es Zeit zum Schlafengehen war. Da Sir Thomas sich in ein Buch vertieft hatte, war im Zimmer zwei Stunden lang kein Laut zu hören als das eintönige Zählen der Stiche. «Und eins macht einunddreißig … Vier in der Hand, acht auf dem Tisch … Sie sind am Austeilen, Tante, soll ich für Sie teilen?» Fanny dachte die ganze Zeit, welche Veränderungen kurze vierundzwanzig Stunden in diesem Zimmer und im ganzen Haus bewirkt hatten. Gestern um diese Zeit war alles Glanz und Bewegung, Lärm und Getriebe, Hoffnung und Freudigkeit gewesen – hier im Salon und außerhalb des Salons und überall … Jetzt atmete alles Langeweile und Einsamkeit.
Eine gut durchschlafene Nacht hob ihre Stimmung wieder. Am nächsten Tag konnte sie mit froherem Mut an William denken. Und da sie vormittags Gelegenheit fand, mit Mrs. Grant und Miss Crawford über den Donnerstagabend zu plaudern – und zwar im richtigen Stil, mit allen Verschönerungen der Einbildungskraft und allen fröhlichen Scherzen, die einem vergangenen Ball erst Farbe und Glanz verleihen – fand sie nachher ohne große Schwierigkeit in den Alltag zurück, und ihr Gemüt fügte sich leicht in die Stille dieser ruhigen Woche.
Der Familienkreis war jetzt kleiner, als sie es jemals erlebt hatte. Vor allem aber fehlte er, der bei jeder Mahlzeit und jedem Zusammensitzen für Fröhlichkeit und gute Laune sorgte. Doch das mußte sie ertragen lernen. Er würde bald auf immer das Haus verlassen. Sie war dankbar,
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