Mansfield Park
wenig Liebe und Befriedigung erwerben würde.
So sah das Heim aus, das sie dazu bringen sollte, sich Mansfield aus dem Kopf zu schlagen und mit kühleren Gefühlen an ihren Vetter Edmund zu denken! Sie konnte im Gegenteil an nichts anderes denken als an Mansfield, seine geliebten Bewohner und seine feine Lebensart. Ihre jetzige Umgebung stand dazu in jeder Beziehung im schärfsten Gegensatz. Die Vornehmheit und Eleganz, die Pünktlichkeit und Harmonie, die in Mansfield herrschten – und vielleicht vor allem anderen seine Friedlichkeit und Stille wurden ihr durch reine Kontrastwirkung täglich und stündlich in Erinnerung gerufen.
Inmitten von pausenlosem Lärm zu leben, bedeutete für einen seelisch und körperlich zarten Menschen wie Fanny eine Qual, die kein anderer Vorteil an Luxus und Wohlleben hätte aufwiegen können. Lärm war das allerschlimmste. In Mansfield vernahm man niemals zänkische Laute, keine zornig erhobene Stimme, keinen heftigen Ausbruch, keinen lauten Schritt. Alles ging seinen geregelten Gang, nichts störte die heitere Ruhe. Jedermann wurde gebührend beachtet, jeder nahm auf den anderen Rücksicht, und wo es allenfalls an Zärtlichkeit fehlen mochte, wurde sie durch Verständigkeit und gute Manieren ersetzt. Die kleinen Ärgerlichkeiten, die Tante Norris gelegentlich erregte, waren flüchtig und unbedeutend, ein Tropfen Wasser im Meer, im Vergleich zu dem unaufhörlichen Aufruhr, der Fanny hier umtobte. Jeder machte Lärm, jeder sprach mit erhobener Stimme – vielleicht mit Ausnahme ihrer Mutter, deren eintönig klagendes Gemurmel sich nur durch seinen gereizten Unterton von Lady Bertrams Rede unterschied. Wer etwas haben wollte, brüllte laut danach, und die Mädchen brüllten ihre patzigen Antworten aus der Küche zurück. Unaufhörlich schlugen die Türen und dröhnten die Treppen, nichts wurde ohne Krach und Geklapper vollbracht, niemand saß still an seinem Platz, und keiner hörte zu, wenn ein anderer etwas sagte. Beim Vergleich der beiden Häuser, wie sie sich noch vor Ablauf der ersten Woche ihrem geistigen Auge darstellten, fühlte Fanny sich versucht, Dr. Johnsons berühmten Ausspruch über die Ehe und den ledigen Stand auf sie anzuwenden: wenn Mansfield Park auch manches Leid mit sich bringen mochte, konnte man von Portsmouth jedenfalls keine Freuden erwarten.
40. Kapitel
Fanny hatte ganz richtig vorausgeahnt, daß sie nun nicht mehr so häufig von Miss Crawford hören würde wie zu Anfang ihrer Korrespondenz. Marys nächster Brief kam nach einer beträchtlich längeren Pause als sonst. Sie hatte sich aber in der Voraussetzung geirrt, daß sie selber dies als große Erleichterung empfinden würde. Das war wieder ein merkwürdiger Umschwung ihrer Gefühle! Als der Brief endlich eintraf, freute sie sich wahrhaftig darüber! In ihrer gegenwärtigen Verbannung, ohne passende Gesellschaft und fern von allem, was sie interessierte, erschien ihr der Brief eines Menschen, der zu ihrem eigensten Kreis gehörte, ein herzlicher und einigermaßen geistreicher Brief, überaus willkommen. – Miss Crawford begann mit der üblichen Entschuldigung, daß ständig wachsende gesellschaftliche Verpflichtungen sie vom Schreiben abgehalten hätten. «Und nun, da ich mich daran gemacht habe», fuhr sie fort, «wird mein Brief kaum die Mühe des Lesens lohnen, denn Sie werden zum Schluß nicht den gewohnten kleinen Liebesgruß finden, keine drei oder vier lignes passionnées von Ihrem Ihnen grenzenlos ergebenen H. C, denn Henry ist in Norfolk. Vor zehn Tagen haben ihn Geschäfte nach Everingham gerufen oder vielleicht hat er den Ruf nur vorgeschützt, um zur gleichen Zeit wie Sie unterwegs zu sein. Jedenfalls ist er dort, und übrigens mag seine Abwesenheit als ausreichende Erklärung für die Schreibfaulheit seiner Schwester gelten, denn diesmal gab es nicht das übliche: ‹Sag, Mary, wann schreibst du eigentlich an Fanny? – Solltest du nicht wieder einmal an Fanny schreiben?›, um mich anzuspornen. Inzwischen habe ich nach verschiedenen Versuchen von beiden Seiten auch endlich Ihre Cousinen, ‹unsere liebe Julia und unsere liebste Mrs. Rushworth›, gesprochen. Sie trafen mich gestern zu Hause an, und wir freuten uns, einander wiederzusehen. Wir schienen sehr erfreut über das Wiedersehen, und ich glaube, ein bißchen freuten wir uns wirklich. – Wir hatten einander eine Unmenge zu erzählen. – Soll ich Ihnen beschreiben, was für ein Gesicht Mrs. Rushworth machte, als Ihr Name genannt
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