Mansfield Park
Methode irrte, war nicht weiter verwunderlich. Fanny neigte bald mehr dazu, die natürliche Erleuchtung eines Gemütes zu bewundern, das schon so jung das Richtige erkannte, als das unpassende Benehmen zu tadeln, das sich daraus ergab. Susan handelte nach den gleichen Grundsätzen und strebte nach den gleichen Zielen, die auch sie als richtig erkannte, vor deren Durchsetzung jedoch ihr sanfteres, nachgiebigeres Wesen zurückschreckte. Susan bemühte sich, tätig einzugreifen, wo sie, Fanny keinen anderen Ausweg gesehen hätte, als hinzugehen und zu weinen. Und daß Susan wirklich Nützliches leistete, merkte Fanny sehr bald; so schlimm es im Haus aussah, wäre es ohne ihr tapferes Dazwischentreten noch schlimmer zugegangen, und sie hielt sowohl ihre Mutter wie Betsey von den allerärgsten Anstößigkeiten ab.
In jedem Streit mit ihrer Mutter hatte Susan die Vernunft auf ihrer Seite, und es bestand keine Gefahr, daß ihr Urteil durch die Stimme ihres Herzens beeinflußt würde. Die verblendete Mutterliebe, die rings um sie soviel Unheil anrichtete, hatte sie selber nie erfahren. Keinerlei Dankbarkeit für vergangene oder gegenwärtige Liebesbeweise ließ ihr die Fehler der Mutter in einem milderen Licht erscheinen, denn sie hatte keine Ursache zu Dankbarkeit.
All das wurde Fanny allmählich klar und erweckte in ihrer Brust eine Mischung von Mitleid und Hochachtung für ihre jüngere Schwester. Daß sie es auf die falsche Art anfing – manchmal auf sehr falsche Art – daß sie in der Wahl der Mittel und des richtigen Zeitpunkts irrte – daß ihr Benehmen und ihre Ausdrücke oft einfach unentschuldbar waren – dies alles konnte Fanny sich nicht verhehlen, doch sie begann zu hoffen, daß sich vieles bessern ließe. Sie entdeckte, daß Susan zu ihr aufblickte und von ihr gebilligt zu werden wünschte. Und so ungewohnt es für Fanny war, Autorität auszuüben, so wenig sie sich bisher die Fähigkeit zugetraut hatte, einen anderen Menschen zu leiten oder zu belehren, so beschloß sie jetzt doch, Susan gelegentlich einen Wink zu geben und ihr allmählich richtigere Begriffe von ihren Pflichten sich und anderen gegenüber zu vermitteln, wie sie selbst sie ihrer begünstigteren Erziehung verdankte.
Ihr Einfluß oder zumindest ihr bewußtes Eingreifen begann mit einer Liebestat, die sie Susan erwies und zu der sie sich erst nach Überwindung vieler innerer Hemmungen aufgeschwungen hatte. Es war ihr schon sehr bald in den Sinn gekommen, daß einer der wundesten Punkte, der bittere Kampf um das vielumstrittene silberne Messerchen, vielleicht mit einem kleinen Geldopfer auf ewig aus der Welt geschafft werden könnte, und da ihr Onkel ihr beim Abschied zehn Pfund geschenkt hatte, war sie auch reich genug, ihre großherzige Absicht auszuführen. Nur war sie es so gänzlich ungewohnt, Wohltaten zu erweisen, außer den Allerärmsten, so ungeübt in der Behebung von Übelständen, sie fürchtete so sehr, den Anschein der Überheblichkeit zu erwecken, als suchte sie zu Hause die große Dame zu spielen, daß sie sich erst nach einer Weile zu dem Beschluß durchrang, es sei für sie nicht unziemlich, ein solches Geschenk zu machen. Endlich war es so weit.
Ein Silbermesserchen für Betsey wurde gekauft und mit großer Freude in Empfang genommen. Seine Neuheit sicherte ihm den Vorrang vor jedem anderen. Susan gelangte in den unbestrittenen Besitz ihres Eigentums, nachdem Betsey großmütig erklärt hatte, sie hätte jetzt ein viel schöneres Messer, das alte Ding würde sie nie mehr anschauen, und – was Fanny fast für unmöglich gehalten hatte – die Mutter war gleichfalls hochbefriedigt und schien von keinem Vorwurf getroffen. Die gute Tat machte sich belohnt. Sie beseitigte nicht nur endgültig eine Quelle ständigen Zankes, sie erschloß Fanny auch den Weg zu Susans Herzen und schenkte ihr einen neuen Gegenstand der Liebe und des Interesses. Susan bewies, daß sie Feingefühl besaß; so sehr sie sich freute, nun unbestrittene Herrin über einen Gegenstand zu sein, um den sie seit mindestens zwei Jahren gekämpft hatte, fürchtete sie doch, daß ihre Schwester ihr Verhalten mißbilligte und daß der Kauf des Messers einen stillen Tadel für sie bedeutete, weil der häusliche Frieden auf keine andere Weise sicherzustellen war.
Susan war offenherzig. Sie bekannte ihre Befürchtungen und machte sich selbst Vorwürfe, allzu hitzig gestritten zu haben. Von dieser Stunde an erkannte Fanny den Wert ihres Charakters und begriff,
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