Mansfield Park
wieviel Susan an ihrer guten Meinung lag und wie gern sie sich ihrem Urteil unterwarf. Sie empfand das Glück einer neuen Zuneigung, sie durfte hoffen, einem Wesen nützlich zu sein, das so dringend Hilfe brauchte und ihrer so wert war. Fanny begann, Ratschläge zu geben, die zu vernünftig waren, als daß ein verständiges Gemüt ihnen widerstanden hätte, und die so milde und rücksichtsvoll geäußert wurden, daß sie ein noch unausgeglichenes Temperament nicht reizten. Fanny war beglückt, nicht selten die gute Wirkung ihrer Worte beobachten zu dürfen. Mehr erwartete sie nicht, denn so fest sie überzeugt war, daß es notwendig und richtig sei, sich in Duldsamkeit und Fügsamkeit zu üben, sah sie doch mit der ganzen Schärfe eines mitfühlenden Herzens alles, was ein Mädchen von Susans Art stündlich in Harnisch bringen mußte. Bald erstaunte es sie am meisten – nicht daß Susan gegen ihr besseres Wissen zu Respektlosigkeit und Ungeduld provoziert wurde, sondern daß sie sich überhaupt ein so feines Rechtsgefühl und so richtige Anschauungen angeeignet hatte; daß sie, inmitten von Nachlässigkeit und Unschicklichkeit aufgewachsen, ganz von selbst erkannt hatte, was gut und recht war – ohne einen Vetter Edmund zu besitzen, der ihr Denken geleitet und ihr richtige Grundsätze beigebracht hätte.
Die innige Freundschaft, die sich zwischen den Schwestern entspann, brachte beiden Vorteile. Wenn sie oben in ihrem Zimmer beisammensaßen, entgingen sie dem ärgsten Trubel im Hause. Fanny hatte Ruhe, und Susan lernte, daß es kein Unglück war, sich still zu beschäftigen. Ihr Stübchen war ungeheizt, doch das war eine Entbehrung, die sogar Fanny nicht neu war, und sie litt um so weniger darunter, als es sie ans Ostzimmer erinnerte. Es war die einzige Ähnlichkeit. Was Geräumigkeit, Licht, Einrichtung und Aussicht betraf, glichen sich die zwei Räume nicht im geringsten, und Fanny unterdrückte oft einen Seufzer, wenn sie an all ihre Bücher und Kästchen und kleinen Bequemlichkeiten dachte. Allmählich gewöhnten sich die beiden Mädchen daran, den größten Teil des Tages oben zu verbringen. Zuerst arbeiteten und plauderten sie nur, doch nach einigen Tagen wirkte die Erinnerung an die besagten Bücher als so mächtiger Anreiz, daß Fanny es unmöglich fand, sich nicht um Lesestoff zu bemühen. In ihrem Elternhaus war nichts dergleichen aufzutreiben – doch Reichtum macht verschwenderisch und kühn: und ein Teil ihres Vermögens fand den Weg in eine Leihbibliothek. Sie wurde zur Abonnentin – ganz verblüfft, etwas in propria persona zu sein! Sie kannte sich selbst nicht wieder: Bücher zu mieten, zu wählen! Sie zur Belehrung eines anderen Menschen zu wählen! Doch so war es. Susan hatte überhaupt nichts gelesen, und Fanny lechzte danach, sie an ihren frühesten Freuden teilhaben zu lassen und ihr Verständnis und Begeisterung für die Lebensbeschreibungen und Gedichte einzuflößen, die sie selbst entzückten.
Über solchen Beschäftigungen hoffte sie auch, gewisse Erinnerungen an Mansfield zu verscheuchen, die nur allzu bereit waren, sich ihres Geistes zu bemächtigen, solange bloß ihre Finger beschäftigt waren. Gerade um diese Zeit suchte sie ihre Gedanken davon abzuhalten, Edmund nach London zu folgen, wo er sich laut dem letzten Brief ihrer Tante jetzt aufhielt. Sie hatte keinen Zweifel an dem, was nun folgen würde. Die Nachricht, die er ihr versprochen, schwebte über ihrem Haupt. Bald begann sie, dem täglichen Anklopfen des Briefträgers mit Grauen entgegenzusehen – und wenn das Buch, das sie mit Susan las, sie nur eine halbe Stunde von ihren Gedanken ablenken konnte, war damit etwas gewonnen.
41. Kapitel
Eine Woche war vergangen, seit sie Edmund in London vermuten durfte, und Fanny hatte noch nichts von ihm gehört. Aus diesem Stillschweigen ließen sich drei verschiedene Schlüsse ziehen, zwischen denen Fanny ständig schwankte; je nachdem hielt sie bald den einen, bald den anderen für den wahrscheinlichsten. Entweder hatte sich seine Abreise verzögert oder er hatte noch keine Gelegenheit gefunden, allein mit Miss Crawford zu sprechen – oder er war zu glücklich, um Briefe zu schreiben!
Um diese Zeit, da Fanny seit fast vier Wochen von Mansfield fort war – eine Rechnung, die sie keinen Tag aufzustellen versäumte – wurden die beiden Schwestern, als sie eines Morgens gerade ihre übliche Zuflucht im oberen Stock aufsuchen wollten, durch das Klopfen eines Besuchers aufgehalten; ihm
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