Mansfield Park
wurde? Ich dachte immer, daß es ihr nicht an Selbstbeherrschung mangelt, aber den gestrigen Anforderungen war sie nicht ganz gewachsen. Überhaupt hat Julia besser ausgesehen, zumindest als das Gespräch auf Sie kam. Es gab zwei blasse Wangen, die sich nicht wieder röten wollten, nachdem ich von ‹Fanny› gesprochen hatte, und zwar so, wie man von einer Schwester spricht. – Doch der Tag, an dem Mrs. Rushworth in ihrer ganzen Schönheit erstrahlen wird, steht noch bevor. Wir haben Einladungen für ihre erste große Gesellschaft am 28. – Dann wird sie sich richtig präsentieren, denn sie wird eines der elegantesten Häuser in Wimpole Street eröffnen. Ich war vor zwei Jahren dort, als es Lady Lascelle gehörte, und ziehe es fast jedem anderen Haus in London vor, das ich kenne. Dann wird sie auch das Gefühl haben, daß sie – um eine vulgäre Redensart zu gebrauchen – für ihren Pfennig einen Pfennigwecken bekommen hat. Henry hätte ihr ein solches Haus nicht bieten können. Hoffentlich wird sie das bedenken und sich damit zufriedengeben, als Königin eines Palastes aufzutreten, wenn auch der König sich im Hintergrund am besten macht. Da ich nicht den Wunsch habe, sie zu plagen, werde ich ihr den Namen Fanny nie mehr aufdrängen. Sie wird sich allmählich beruhigen. – Nach allem, was ich höre und errate, bemüht sich Baron Wildenhaim weiterhin um Julia, aber ich weiß nicht, ob sie ihn ernstlich ermutigt. Sie sollte eigentlich etwas Besseres finden. Ein mittelloser Honourable ist kein großer Fang, und ich kann mir nicht vorstellen, daß Liebe mit im Spiel ist; wenn man von seinen stimmgewaltigen Deklamationen absieht, ist nichts an dem armen Baron. Ja, wenn seine Geldmittel so gewaltig wären wie seine Stimmittel! – Ihr Cousin Edmund beeilt sich nicht mit dem Herkommen, wahrscheinlich halten ihn seine seelsorgerischen Pflichten zurück. Vielleicht gibt es in Thornton Lacey irgendein altes Weiblein zu bekehren. Ich mag mir nicht denken, daß er mich um einer jungen willen vernachlässigt. Nun adieu, meine liebe, süße Fanny, das ist für London ein langer Brief. Schreiben Sie mir zur Antwort ein paar nette Zeilen, um Henrys Auge zu erfreuen, wenn er zurückkommt – und berichten Sie mir ausführlich von all den schneidigen jungen Schiffsoffizieren, die Sie um seinetwillen verschmähen.»
Der Brief bot ausreichend Stoff zum Nachdenken, und nicht den erfreulichsten. Aber bei allem Unbehagen, das er Fanny verursachte, schuf er doch ein Band zwischen ihr und den Abwesenden, berichtete ihr von Menschen und Ereignissen, für die sie niemals soviel Neugierde empfunden hatte wie jetzt, und sie wäre froh gewesen, hätte sie mit Sicherheit jede Woche auf einen solchen Brief zählen dürfen, denn ansonsten bildete die Korrespondenz mit ihrer Tante Bertram ihr einziges höheres Interesse.
Was die gesellschaftlichen Zerstreuungen von Portsmouth betraf, die sie allenfalls für die häuslichen Unzulänglichkeiten hätten entschädigen können, gab es im Bekanntenkreis ihrer Eltern niemanden, der ihr nur halbwegs entsprach; sie entdeckte keinen Menschen, dem zuliebe sie hätte wünschen können, ihre eigene Schüchternheit und Zurückhaltung zu überwinden. Die Männer erschienen ihr alle grob, die Frauen indiskret, und alle zusammen unfein und ungebildet. Sie erregte so wenig Gefallen, wie sie selbst empfand. Die jungen Damen, die ihr anfänglich mit einigem Respekt entgegenkamen, weil sie ja in einer Baronet-Familie lebte, fühlten sich bald durch ihre «Vornehmtuerei», wie sie es nannten, beleidigt – denn da sie weder Klavier spielte noch feine Umhänge trug, konnten sie bei näherer Betrachtung nicht einsehen, warum sie etwas Besseres sein sollte.
Die erste vollwertige Entschädigung für die Unannehmlichkeiten ihres Elternhauses, den ersten Trost, den ihre Vernunft gelten lassen konnte und der auch von Dauer zu sein versprach, fand Fanny in der näheren Bekanntschaft mit Susan und in der Hoffnung, ihr helfen zu können. Zu ihr selber hatte Susan sich von Anfang an freundlich benommen, doch ihr ungestümes, heftiges Wesen hatte Fanny bestürzt und beunruhigt, und es dauerte fast zwei Wochen, bis sie diese Natur, die so ganz anders veranlagt war als ihre eigene, richtig zu verstehen begann. Susan sah, daß zu Hause vieles falsch gemacht wurde, und wünschte, es zu bessern. Daß ein vierzehnjähriges Mädchen, das einzig nach seinem unerfahrenen Verstand handelte, sich bei seinen Reformversuchen in der
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