Mansfield Park
solche Not mit den Dienstboten, daß es ein Wunder scheint, wenn man ein Mädchen länger als ein halbes Jahr behält. Die Aussichten sind trostlos. Wenn ich Rebecca wegschicke, bekomme ich nur eine noch schlechtere. Dabei bin ich bestimmt keine anspruchsvolle Herrin, und die Stellung ist leicht genug. Sie hat immer ein Mädchen zur Hilfe, und meistens tue ich die halbe Arbeit selber.»
Fanny schwieg, aber nicht weil sie glaubte, daß dem Übel nicht abzuhelfen wäre. Während sie so dasaß und Betsey betrachtete, mußte sie immer wieder an eine andere kleine Schwester denken, die etwa im gleichen Alter stand, als Fanny nach Northamptonshire verpflanzt wurde, und ein paar Jahre später starb. Sie war ein sehr hübsches, besonders liebenswürdiges Kind gewesen, Fanny hatte sie damals Susan vorgezogen, und als die Kunde von ihrem Tode schließlich Mansfield erreichte, war sie kurze Zeit überaus betrübt gewesen.
– Betseys Anblick rief ihr lebhaft das Bild der kleinen Mary zurück, doch sie hätte um keinen Preis die Mutter durch eine Anspielung auf ihr totes Kind gekränkt. – Während sie sich diesen Gedanken hingab, hielt Betsey in einiger Entfernung einen kleinen Gegenstand hoch, auf den sie offenbar Fannys Aufmerksamkeit zu lenken wünschte, während sie ihn gleichzeitig vor Susan zu verbergen trachtete.
«Was hast du da, Schätzchen?» fragte Fanny.
«Komm und zeig es mir.»
Es war ein silbernes Messerchen. Im Nu sprang Susan auf, reklamierte es als ihr Eigentum und wollte es der Kleinen entreißen. Doch die suchte Schutz bei ihrer Mutter, und Susan konnte sie nur mit Schelten und Vorwürfen überschütten, was sie auch mit größter Heftigkeit tat, augenscheinlich in der Hoffnung, daß Fanny ihre Partei ergreife. Es wäre wirklich ungerecht, daß sie ihr eigenes Messer nicht haben durfte – es war ihr Messer – Schwesterchen Mary hatte es auf ihrem Totenbett ihr, Susan, hinterlassen, und es sollte längst in ihrem Besitz sein! Aber Mama gab es ihr nicht und ließ Betsey immer damit spielen. Zum Schluß würde Betsey es ruinieren und es behalten dürfen, obwohl Mama versprochen hatte, es Betsey niemals in die Hand zu geben!
Fanny war schockiert. Alle ihre Begriffe von Pflicht, Ehre und Zärtlichkeit waren durch die Rede der Schwester und die Antwort der Mutter zutiefst verletzt.
«Aber, Susan!» rief Mrs. Price in klagendem Ton. «Wie kannst du nur so böse sein? Du streitest immer um das Messer. Ich wollte, du wärest nicht so streitsüchtig. Arme, kleine Betsey, wie schlimm Susan zu dir ist! Aber du hättest es nicht aus der Schublade nehmen dürfen, Liebling. Du weißt doch, daß ich dir gesagt habe, du darfst es nicht anrühren, weil Susan immer gleich so böse wird. Ich werde es nächstens verstecken müssen, Betsey. Unsere arme Mary hat sicher nicht gedacht, daß ihr Messer zum Zankapfel werden könnte. Sie gab es mir zwei Stunden bevor sie starb. Das arme, kleine Ding! Sie konnte nur noch lispeln und sagte so herzig: ‹Mama, Schwester Susan soll mein Messer haben, wenn ich tot und begraben bin.› Mein armer, kleiner Liebling! Denk dir, Fanny, sie hatte das Messer so gern, daß es während ihrer Krankheit immer neben ihr auf dem Kopfkissen liegen mußte. Es war ein Geschenk ihrer guten Patin, der alten Admiralin Maxwell, sechs Wochen bevor sie so krank wurde. Das liebe, kleine Geschöpf! Aber wer weiß, welch schweres Leben ihr erspart worden ist. Meine eigene kleine Betsey (sie drückte das Kind zärtlich an sich), du hast nicht das Glück, eine so gute Patin zu haben. Tante Norris wohnt zu weit von uns, um an so kleine Leute wie dich zu denken.»
Fanny hatte tatsächlich von Tante Norris nichts mitgebracht als die Botschaft, sie hoffe, ihr Patenkind sei ein gutes Mädchen und lerne brav seine Gebete. Im Salon von Mansfield Park hatte man einmal undeutlich etwas von einem Gebetbuch murmeln gehört, das sie Betsey zu schicken gedächte, aber man hatte nie wieder etwas in dieser Richtung vernommen. Mrs. Norris war damals heimgegangen und hatte zwei alte Gebetbücher ihres seligen Mannes vom Regal genommen, aber bei näherer Prüfung war sie von ihrer großherzigen Absicht wieder abgekommen. Das eine Buch eignete sich nicht für ein Kind, weil es zu klein gedruckt war, das andere wurde für zu schwer befunden.
Fanny war übermüde und begrüßte dankbar die erste Aufforderung, zu Bett zu gehen. Bevor Betsey noch mit ihrem heulenden Protest fertig war, daß man ihr doch erlaubt hätte, zu Ehren ihrer
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