Mansfield Park
nicht. Meiner Ansicht nach müßte jeder, der gut heiraten kann, es auch tun. Ich mag es nicht, wenn man sich wegwirft, aber sobald sich eine vorteilhafte Möglichkeit bietet, sollte jeder Mensch heiraten.»
5. Kapitel
Die jungen Leute fanden von Anfang an Gefallen aneinander. Auf beiden Seiten war viel Anziehendes vorhanden, und die Bekanntschaft versprach, so rasch der gute Ton es nur zuließ, zu einer intimen Freundschaft zu werden. Daß Miss Crawford so hübsch war, schadete ihr in den Augen der Fräulein Bertram nicht. Sie waren ihrer eigenen Schönheit zu sicher, um anderen Frauen ihr gutes Aussehen zu verübeln, und zeigten sich von Marys lebhaften, dunklen Augen, ihrem klaren, bräunlichen Teint und ihrer zierlichen Anmut fast ebenso bezaubert wie ihre Brüder. Wäre sie groß und stattlich und blond gewesen, hätten sie die Prüfung vielleicht schwerer zu bestehen gefunden, doch wie die Dinge lagen, kam ein Vergleich gar nicht in Frage, und sie ließen Mary Crawford von Herzen gern als liebes, reizendes Mädchen gelten, während sie natürlich die Schönsten im Lande blieben.
Der Bruder hingegen war nicht schön. Nein, als sie ihn zum erstenmal erblickten, war er ausgesprochen häßlich, schwarz und häßlich; nichtsdestoweniger war er ein Gentleman mit sehr angenehmen Manieren. Bei der zweiten Begegnung stellte es sich heraus, daß er gar nicht so furchtbar häßlich war; häßlich zweifellos, aber er besaß so viel Haltung und so schöne Zähne und war so gut gebaut, daß man seine Häßlichkeit bald vergaß. Und nach der dritten Zusammenkunft, bei einem Dinner im Pfarrhaus, war es niemand mehr gestattet, ihn häßlich zu nennen; er war vielmehr der angenehmste junge Mann, dem die Schwestern je begegnet waren, und beide zeigten sich gleichermaßen entzückt von ihm. Der Umstand, daß Miss Bertram verlobt war, machte ihn zu Julias rechtmäßigem Eigentum. Julia war sich dessen vollauf bewußt, und ehe er noch eine Woche in Mansfield verbracht hatte, war sie durchaus bereit, sich in ihn zu verlieben.
Marias diesbezügliche Gefühle waren verworrener und unklarer. Sie wollte nicht klarsehen. Es konnte doch nichts dabei sein, einen angenehmen Menschen sympathisch zu finden
– jedermann kannte ihre Situation – Mr. Crawford müßte sich eben in acht nehmen … Mr. Crawford seinerseits hatte gar nicht die Absicht, in Gefahr zu geraten. Die Fräulein Bertram waren bereit, an ihm Gefallen zu finden, und er fand es der Mühe wert, ihnen zu gefallen. Mehr wollte er vorläufig nicht; er verlangte durchaus nicht, daß sie aus Liebe zu ihm vergehen sollten. Obwohl sein Verstand und sein Charakter ihn befähigt hätten, richtiger zu denken und zu empfinden, gestattete er sich in solchen Dingen große Leichtfertigkeit.
«Deine Fräulein Bertram gefallen mir außerordentlich gut, Schwester», sagte er, als er sie nach dem Dinner im Pfarrhaus zu ihrem Wagen hinausbegleitet hatte. «Es sind wirklich sehr elegante, liebenswürdige Mädchen.»
«Ja, das sind sie, und es freut mich, es von dir bestätigt zu hören. Julia gefällt dir natürlich am besten.»
«O gewiß, Julia gefällt mir am besten.»
«Ernsthaft, Henry? Miss Bertram gilt nämlich allgemein als die größere Schönheit.»
«Das kann ich mir denken. Sie ist in jeder Beziehung hübscher und auch mehr mein Typ – aber Julia gefällt mir am besten. Miss Bertram ist ohne Frage die Schönere, und ich habe sie auch liebenswürdiger gefunden – aber Julia wird mir stets am besten gefallen, da du es so gebietest.»
«Ich werde überhaupt nicht mehr mit dir reden, Henry. Aber ich weiß, daß dir letzten Endes Julia wirklich am besten gefallen wird.»
«Habe ich dir nicht erklärt, daß sie mir schon ersten Endes am besten gefällt?»
«Und außerdem ist Miss Bertram verlobt. Vergiß das nicht, mein Lieber. Sie hat ihre Wahl bereits getroffen.»
«Ja, und darum mag ich sie noch besser leiden. Ein verlobtes Mädchen ist immer sympathischer als ein unverlobtes. Sie ist mit sich selber zufrieden. Sie hat keine Sorgen mehr und kann alle ihre Verführungskünste entfalten, ohne daß man sie bestimmter Absichten verdächtigt. Mit einer verlobten jungen Dame fühlt man sich sicher. Es kann nichts passieren.»
«Nun, was das betrifft … Mr. Rushworth ist ein sehr braver junger Mann und eine ausgezeichnete Partie für sie.»
«Und seiner Braut liegt nicht soviel an ihm! So urteilst du über deine gute Freundin! Aber ich schließe mich deinem Urteil nicht an. Ich bin
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