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Mansfield Park

Mansfield Park

Titel: Mansfield Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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mannigfacher, unbeschreiblicher Beunruhigung.
Um acht Uhr morgens betrat Edmund das Haus. Die Mädchen hörten ihn oben in ihrem Zimmer, und Fanny ging hinunter. Der Gedanke, daß sie ihn im nächsten Augenblick sehen würde, und das Bewußtsein, wie tief er leiden mußte, erweckte alle ihre früheren Gefühle. So nahe war er ihr – und in solcher Verzweiflung! Sie vermochte sich kaum aufrecht zu halten, als sie das Wohnzimmer betrat. Er war allein und kam ihr rasch entgegen. Dann fühlte sie sich an seine Brust gepreßt und vernahm kaum hörbar die Worte: «Meine Fanny – meine einzige Schwester – mein einziger Trost jetzt …» Sie vermochte nichts zu sagen, und auch er war ein paar Minuten lang nicht imstande, weiterzusprechen.
Er wandte sich ab, um seine Fassung wiederzugewinnen, und als er wieder redete, bebte seine Stimme zwar noch, aber seine Haltung zeugte von dem Bestreben, sich zu beherrschen, und dem Entschluß, jede weitere Anspielung zu vermeiden. «Hast du schon gefrühstückt? – Wann könnt ihr bereit sein? – Kommt Susan mit?» lauteten die ersten raschen Fragen. Sein einziges Ziel war, so bald wie möglich wegzukommen. Wenn er an Mansfield dachte, war die Zeit kostbar, und sein eigener Gemütszustand ließ ihn nur in ständiger Bewegung einige Erleichterung finden. Es wurde abgemacht, daß der bestellte Wagen in einer halben Stunde vorfahren sollte. Fanny verbürgte sich, daß sie bis dahin gefrühstückt haben und bereit sein würden. Er hatte schon gegessen und lehnte es ab, ihre Mahlzeit zu teilen. Inzwischen wollte er einen Spaziergang über die Wälle machen und gleichzeitig mit dem Wagen wieder erscheinen. Dann war er gegangen, froh, selbst von Fanny loszukommen.
Er sah elend aus und litt offensichtlich unter der heftigsten Gemütsbewegung, die er entschlossen zu unterdrücken suchte. Fanny wußte, daß es nicht anders sein konnte, doch es war schrecklich für sie.
Der Wagen kam. Edmund betrat im gleichen Augenblick wieder das Haus, gerade nur um ein paar Minuten mit der Familie zu verbringen und mitanzusehen – hätte er nur überhaupt etwas wahrgenommen – wie gleichgültig man sich von den Töchtern trennte; er kam just zur rechten Zeit, um sie daran zu hindern, sich zum Frühstück zu setzen, das dank einer geradezu unerhörten Betriebsamkeit tatsächlich fix und fertig auf dem Tisch stand, als der Wagen gerade wieder abfuhr. Fannys letzte Mahlzeit in ihrem Elternhaus trug das gleiche Gepräge wie die erste. Sie wurde ebenso gastlich entlassen, wie man sie empfangen hatte.
Daß ihr Herz vor Freude und Dankbarkeit schwoll, als sie den Schlagbaum von Portsmouth passierten, und daß Susans Gesicht ihr strahlendstes Lächeln trug, kann man sich vorstellen. Doch da sie vorne saß und von ihrem Kapotthut beschirmt wurde, blieb ihr Lächeln unbemerkt.
Die Reise mußte wohl schweigend verlaufen. Edmunds tiefe Seufzer drangen oft an Fannys Ohr. Wäre er mit ihr allein gewesen, hätte er ihr wohl, all seinen Vorsätzen zum Trotz, bald sein Herz ausgeschüttet. Doch Susans Anwesenheit bewirkte, daß er sich ganz in sich zurückzog, und seine schwachen Versuche, von gleichgültigen Dingen zu plaudern, wurden immer bald wieder aufgegeben.
Fanny beobachtete ihn mit unermüdlicher Besorgnis, und wenn sie hin und wieder seinen Blick auffing, wurde sie mit einem liebevollen Lächeln belohnt, das sie tröstete. Doch der erste Reisetag verging, ohne daß sie von ihm ein Wort über die Dinge vernahm, die so schwer auf seiner Seele lasteten. Der nächste Morgen brachte ein wenig mehr. Gerade bevor sie von Oxford aufbrachen, während Susan am Fenster des Gasthofs Posten bezogen hatte und eifrig der Abfahrt einer großen Familie zusah, standen die beiden anderen vor dem Kamin. Jetzt erst fiel Edmund Fannys schlechtes Aussehen auf, und da er in Unkenntnis der täglichen Mißlichkeiten in ihrem Elternhaus einen unverhältnismäßig großen Teil der Veränderung, ja eigentlich alles auf die letzten Ereignisse zurückführte, ergriff er ihre Hand und sagte leise, aber mit tiefem Gefühl: «Kein Wunder – auch du mußt es empfinden – auch du mußt leiden. Wie ein Mann, der dich einmal geliebt hat, dir untreu werden konnte! Aber deine – deine Zuneigung war neu im Vergleich zu … Fanny, denk an mich!»
Die erste Etappe ihrer Reise füllte einen langen Tag und brachte sie, fast völlig erschöpft, bis nach Oxford, doch der zweite Reisetag ging viel früher zu Ende. Lange vor der üblichen Essensstunde

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