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Mansfield Park

Mansfield Park

Titel: Mansfield Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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zu erwarten, daß sie gerade in diesem Augenblick nicht mehr an die Geschichte dachte.
    Ihr Sinnen ging in eine andere Richtung. Sie versenkte sich in die Erinnerung an ihren ersten Abend in diesem Zimmer, als ihr Vater ebenfalls seine Zeitung las. Jetzt brauchte man keine Kerze mehr. Die Sonne stand gewiß noch anderthalb Stunden am Himmel. Ja, Fanny war jetzt wahrhaftig seit drei Monaten hier, und die Sonne, die ihre kräftigen Strahlen ins Wohnzimmer sandte, heiterte sie nicht auf, sondern machte sie nur noch schwermütiger. Es schien ihr, daß der Sonnenschein in der Stadt etwas ganz anderes wäre als auf dem Lande. Hier war es nur ein grelles Licht, ein peinigendes, widerlich grelles Licht, das zu nichts anderem diente, als Schmutz und Flecken an den Tag zu bringen, die sonst verborgen blieben. In der Stadt hatte der Sonnenschein nichts Gesundes, nichts Fröhliches. Sie saß in einem Schwall bedrückender Hitze, in einer Wolke tanzender Stäubchen, und der einzige Ausblick, der sich ihren Augen bot, waren die Wände, die deutlich zeigten, wo ihr Vater den Kopf anzulehnen pflegte, die von den Taschenmessern ihrer Brüder zerhackte Tischplatte und das Teebrett darauf, das niemals richtig gereinigt wurde, mit den streifig gewaschenen Tassen und Tellern, der dünnen, bläulichen Milch, in der weiße Flöckchen schwammen, und den Butterbroten, die mit jedem Augenblick noch schmieriger wurden, als sie schon aus Rebeccas Händen hervorgegangen waren … Ihr Vater las die Zeitung, ihre Mutter jammerte wie üblich, während man auf den Tee wartete, über den zerrissenen Teppich, den Rebecca doch endlich einmal stopfen sollte – und Fanny wurde erst aus ihren trüben Betrachtungen aufgeschreckt, als ihr Vater, der einen bestimmten Absatz, pfeifend und brummend, mit besonderer Aufmerksamkeit gelesen hatte, sie plötzlich anrief: «Wie heißen doch gleich deine noblen Cousins in London, Fan?»
    Ein Augenblick der Besinnung genügte ihr, um zu sagen: «Rushworth, Papa.»
«Und die Adresse ist Wimpole Street?»
«Ja, Papa.»
«Dann sitzen sie in einem verdammten Schlamassel, mehr kann ich nicht sagen. Da … (indem er ihr die Zeitung hinhielt). Ich gratuliere dir zu deiner feinen Verwandtschaft. Ich weiß nicht, wie Sir Thomas über solche Dinge denkt; wahrscheinlich ist er ein zu vornehmer Gentleman, um etwas Schlimmes dabei zu finden. Aber Gottverdammich, wenn das meine Tochter wäre, würde ich ihr den Hintern verdreschen, bis mir die Hand lahm wäre. Prügeln sollte man sie alle beide, sie und den Mann, dann käme es nicht erst so weit.»
Fanny las, daß die Zeitung, zu ihrem unsagbaren Bedauern, der Welt einen ehelichen fracas in der Familie von Mr. R. in Wimpole Street zu melden hatte. «Die schöne Mrs. R., deren Name noch nicht lange in Hymens Buch eingetragen ist und die einer der glänzendsten Sterne der vornehmen Welt zu werden versprach, hat das Haus ihres Gatten zusammen mit dem bekannten, faszinierenden Mr. C. verlassen, der ein intimer Freund von Mr. R. ist.» Wohin sich das Paar gewandt hatte, war leider nicht bekannt – nicht einmal der Redaktion der Zeitung.
«Das ist ein Irrtum!» rief Fanny rasch. «Es muß ein Irrtum sein, Papa – es kann nicht wahr sein – es muß sich um jemand anderen handeln!»
Sie rief es aus dem instinktiven Wunsch heraus, die Schande hinauszuzögern, sie sprach mit einer Entschlossenheit, die reiner Verzweiflung entsprang, denn sie sagte etwas, was sie selbst nicht glaubte und nicht glauben konnte. Beim Lesen hatte sie die Überzeugung wie ein Schlag getroffen. Die Wahrheit sprang ihr ins Gesicht – und wie sie es vermocht hatte, überhaupt zu sprechen, ja nur zu atmen, konnte sie nachträglich selbst nicht fassen.
Mr. Price interessierte sich zu wenig für die Geschichte, um viel zu antworten. «Es kann auch alles erlogen sein», gab er zu. «Aber heutzutage gehen so viele feine Damen auf diese Art zum Teufel, daß man für niemand mehr einstehen kann.»
«Ich hoffe, daß es nicht wahr ist», sagte Mrs. Price in klagendem Ton. «Das wäre ja schrecklich. – Wenn ich Rebecca nicht mindestens ein dutzendmal das Loch im Teppich gezeigt habe! Nicht wahr, Betsey? Dabei wäre es in zehn Minuten getan!»
Was in Fannys Gemüt vorging, als sie sich der Tatsache einer so schweren Schuld nicht länger verschließen konnte und langsam zu erfassen begann, was nun alles an Leid und Kummer folgen mußte, ist kaum zu beschreiben. Zuerst war sie wie betäubt, doch mit jedem Augenblick wurde

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