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Mansfield Park

Mansfield Park

Titel: Mansfield Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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Pflicht vernachlässigt, weil er die wahre Bedeutung seines Berufs nicht erfaßt und die ihm gezogene Grenze überschreitet, um zu scheinen, was er nicht sein sollte.»
«Sie schreiben dem Geistlichen einen größeren Einfluß zu, als man es gemeinhin tut, und ich begreife nicht recht warum. In der Gesellschaft merkt man nur sehr wenig von dem Einfluß und der Bedeutung, die Sie rühmen, und wie könnte es anders sein? Wie sollten zwei Predigten pro Woche – gesetzt sogar, daß sie hörenswert sind, weil der Herr Pfarrer den Verstand hat, die gedruckten Predigten von Blair seinem eigenen Machwerk vorzuziehen – wie sollten diese zwei Predigten all das bewirken, was Sie behaupten, wie können sie die Lebensführung und die Sitten einer großen Gemeinde für die ganze restliche Woche beeinflussen? Und außerhalb der Kanzel bekommt man den Pfarrer selten zu Gesicht.»
«Sie sprechen von London, ich spreche von der Nation in ihrer Gesamtheit.»
«Die Hauptstadt sollte doch ein halbwegs richtiges Bild vom übrigen Land geben.»
«Nicht, was das Verhältnis von Tugend und Laster anbelangt
– das will ich wenigstens hoffen. In puncto Moral stehen die großen Städte nicht an der Spitze, und der Einfluß der Geistlichen – wie übrigens aller anständigen Menschen – macht sich gerade dort am wenigsten bemerkbar. Ein glänzender Prediger findet Anhänger und Bewunderer, aber ein rechter Pfarrer dient seiner Gemeinde und der ganzen Umgegend nicht nur durch glänzende Predigten. Freilich muß die Gemeinde klein genug sein, daß sie ihn als Menschen kennen und seine ganze Lebensführung beobachten kann, und das eben ist in London selten der Fall. Dort verschwindet der Geistliche in der Masse seiner Pfarrkinder; die allermeisten kennen ihn nur als Prediger. Und was den Einfluß auf die allgemeinen Sitten betrifft, darf Miss Crawford mich nicht mißverstehen. Ich will damit nicht sagen, daß unsere Pfarrer in Fragen des feinen Geschmacks und des gesellschaftlichen Raffinements maßgebend sind oder der eleganten Welt als Zeremonienmeister dienen könnten. Wenn ich von Sitten spreche, so meine ich damit die Gesittung, die Lebensführung, die sich aus den richtigen Grundsätzen ergibt, kurz die Auswirkung jener Lehre, die zu verbreiten und zu vertreten die erste Pflicht des Geistlichen ist. Und ich glaube, wohin man auch kommt, wird man eines sehen: wo die Geistlichen so sind, wie sie sein sollen, ist es auch das übrige Volk, und wo sie nicht ihre Pflicht erfüllen, tun es auch die anderen nicht.»
«Ganz bestimmt», sagte Fanny ernsthaft.
«Da haben wir es!» rief Miss Crawford. «Miss Price haben Sie bereits überzeugt.»
«Ich wollte, ich könnte auch Miss Crawford überzeugen.»
«Ich glaube nicht, daß Ihnen das je gelingen wird», sagte sie mit schelmischem Lächeln. «Daß Sie die Absicht haben, Pfarrer zu werden, erstaunt mich noch immer genau so sehr wie im ersten Augenblick. Sie sind wirklich für etwas Besseres geschaffen. Kommen Sie, überlegen Sie sich die Sache noch einmal! Gehen Sie unter die Juristen.»
«Gehen Sie unter die Juristen! Ganz einfach, als ob Sie mich auffordern würden, hier in die ‹Wildnis› zu gehen.»
«So, jetzt werden Sie gleich sagen, daß die Juristerei die ärgere Wildnis ist, aber ich bin Ihnen zuvorgekommen! Leugnen Sie nicht, daß ich es zuerst gesagt habe!»
«Wenn Sie einem geistreichen Ausspruch von mir zuvorkommen wollen, brauchen Sie sich nicht zu beeilen, denn es besteht keine Gefahr, daß ich ein Bonmot von mir gebe. Witz und Schlagfertigkeit sind nicht meine starken Seiten. Ich bin ein nüchterner, einfacher Geselle, der nichts versteht, als seine Meinung geradeheraus zu sagen.»
Ein allgemeines Schweigen folgte. Alle waren nachdenklich geworden. Fanny unterbrach als erste die Stille: «Ich weiß nicht, wieso ich so müde bin, es ist doch so schön, hier im Wald zu spazieren. Aber wenn wir zu einer Bank kommen, möchte ich mich gern einen Augenblick hinsetzen – wenn es nicht stört.»
«Meine arme, kleine Fanny!» rief Edmund, unverzüglich ihren Arm ergreifend. «Wie gedankenlos von mir! Hoffentlich hast du dich nicht übermüdet. Vielleicht», wandte er sich an Miss Crawford, «tut mir meine andere Begleiterin gleichfalls die Ehre an, meinen Arm zu nehmen?»
«Danke, ich bin nicht müde.» Mit diesen Worten nahm sie gleichwohl seinen Arm, und die Freude darüber, die Beglückung, sich ihr zum erstenmal so eng verbunden zu fühlen, ließen ihn Fanny ein wenig vergessen.

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