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Manta 01 - Omnivor

Manta 01 - Omnivor

Titel: Manta 01 - Omnivor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Herbivoren«, sagte sie. »Ich habe sie an Hand meiner Notizen nachgemalt.«
    Subble studierte das Bild mit Interesse. Aquilon hatte sehr viel Talent, und ihr Herz und ihre Seele waren in das Gemälde eingegangen.
    Die dargestellte Landschaft war düster. Die Nebelwelt Nacre, bekannt für ihre Helligkeit im Weltraum, verleugnete ihr Licht an der Oberfläche. Die aufgedunsenen Pilze, die Veg beschrieben hatte, waren undeutlich im Hintergrund sichtbar. Im Vordergrund befand sich die Herde: stehende Klumpen wie Kraken, deren Tentakel zu fleischigen Säulen geworden waren. Die rosafarbenen Atmungsorgane waren so fein gezeichnet, daß sie zu winken schienen.
    Aber es war mehr die Technik, die ihn berührte, als die naturgetreue Nachempfindung einer fremden Landschaft. Irgendwie hatte Aquilon Gefühle in dieses Gemälde hineingelegt und es zum Leben erweckt. Es wühlte ihn viel mehr auf, als das vorhin ihre Nacktheit getan hatte, denn dies hier war ursprünglich und nicht gekünstelt. Er sah sie mit einem Respekt an, den er bisher nicht empfunden hatte.
    Sie hob das zweite Exemplar hoch, ein kleineres Blatt, das auf einen Karton geklebt war.
    »Das ist ein Original«, sagte sie. »Ich habe es auf dem Felsenvorsprung nach der Wanderung am ersten Tag gemalt.«
    Subble erwähnte nicht, daß Veg darüber nichts berichtet hatte. »Sie malen, wenn Sie müde sind?«
    »Ich male, weil ich müde bin«, sagte sie ruhig. Ihre Sprache wurde schleppend, als der Alkohol seine Wirkung tat. »Wie kann ich sonst meine Gefühle ausdrücken?«
    Sie griff abermals nach der Flasche, aber Subble hielt ihre Hand fest.
    »Es wäre mir lieber, wenn Sie das nicht täten«, sagte er. »Mir macht Alkohol wenig aus, weil mein Unterbewußtsein mit meinem Bewußtsein verbunden ist. Es gibt keine Barrieren, die eingerissen werden müßten. Aber Sie.«
    »Was denn - auf einmal Gefühle? Was kümmert es Sie, was ich tue?«
    Subble antwortete nicht sofort. Er betrachtete das Bild und dachte über die Umstände seiner Entstehung nach. Sie waren geklettert, und Aquilon mußte todmüde gewesen sein, weil sie Cal zu helfen hatte. Unfähig, ihre Gefühle auf normale Weise auszudrücken, hatte sie sich dem Malen zugewandt. Ihre Augen waren auf das phantomdunkle Grau des Himmels gerichtet gewesen, während ihr Pinsel eine Szene auf die Leinwand bannte. Das Gemälde, obwohl an Ort und Stelle angefertigt, mußte aus Erinnerung oder Imagination entstanden sein, denn der Schleier, den die mikroskopisch kleinen Lebensformen in der Atmosphäre zusammen mit der hereingebrochenen Dämmerung errichteten, verdunkelte alles, was mehr als ein paar Handbreit von dem Felsenvorsprung entfernt war. Aber es hatte stetig Gestalt angenommen: ein Abbild des Wegs, den die drei in der letzten Stunde bewältigt hatten, um die Schultern des Berges kriechend, behaftet mit Pilzen, die an stilisierte Baumwollballen erinnerten.
    Der Weg, den sie gegangen waren, mußte mühsam und häßlich gewesen sein, und Aquilons Wiedergabe war hervorragend. Ihr Bild war eine Komposition aller Aspekte der Kletterpartie. Die Strapaze des steilen Anstiegs war da, die Härte der nackten Felsen, das Schwindelgefühl müder Füße, die auf dem Schleim zertretener Pilze ausglitten. Da war eine Andeutung von der Hoffnungslosigkeit eines Mannes, dem die Kraft oder der Wille zum Leben fehlten, und vielleicht auch die eines Mädchens, das damals nicht lächeln konnte.
    Aber das Gemälde selbst war großartig.
    Und hatte sie es dann zur Seite gestellt, auf dieser fernen Welt, und es gegen die senkrechte Felswand gelehnt, die am inneren Rand des Vorsprungs in die Höhe ragte? Der blasse, blaue Felsen des Berges, den sie gemalt hatte, würde sanft mit dem dunklen Schleier des Himmels jenseits des Abgrunds kontrastiert haben, und hier, eingerahmt von wogenden weißen Pilzen, könnte die einsame Schönheit solch einer Frau ihren Frieden gefunden haben.
    »Als Sie versucht haben, mich zu verführen, mußte ich Widerstand leisten«, sagte er langsam. »Das bedeutete nicht, daß ich sie unattraktiv fand. Und als ich versuchte, Ihnen einen Rat zu geben, geschah das nicht, weil mich Ihr Wohlbefinden nicht kümmerte. Nun, da Sie mir gezeigt haben, wie es in Ihnen aussieht, bitte ich Sie, es nicht. hierdurch herabzuwürdigen.« Er zeigte auf die Flasche und stellte fest, daß er noch immer ihre Hand hielt.
    Diese zufällige Intimität war viel eindringlicher als das Reden und die Nacktheit, die sie zuvor praktiziert hatten.

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