Manta 02 - Orn
kämpfen lohnte.
Nein, Tyrannosaurus hatte vor allem auf Grund seines Zielbewußtseins Erfolg. Wenn er sich seine Beute einmal ausgesucht hatte, lebend oder tot, gab er niemals auf. Es mochten andere Dinge dazwischen kommen, eine Tannendichtung, eine Triceratops-Herde, ein Sumpfkanal, aber Tyrann hielt sich an sein ursprüngliches Objekt, bis er es gestellt hatte. Auf diese Weise war ihm die Mahlzeit schließlich sicher. Und sein bescheidener Intellekt wurde ebensowenig durch fruchtlose Abschweifungen beansprucht, wie seine Energien dadurch vergeudet wurden. Selbst die flüchtigste Beute mußte sich mal ergeben. Es war ein Ausdauerwettstreit geworden. Obgleich der Karnosaurier verwundet war - Cal konnte das Blut an seinem Schenkel sehen, wo ihn der Bulle mit seinem Horn getroffen hatte -, .verfügte er noch immer über erhebliche physische Reserven. Aber die Beute hatte in diesem Fall geistige Reserven. Was würde den Sieg davontragen - Muskeln oder Geist?
Cal wandte sich bergaufwärts. Im Augenblick wäre er froh gewesen, ein paar IQ-Punkte gegen ein paar Pfund kräftiges Gewebe in Beinen und Rumpf eintauschen zu können. Die Unabwägbarkeit der Hetzjagd hatten ihn Lager Zwei verpassen lassen. Er stieg die Bergflanke jenseits davon hinauf. Das Klima änderte sich schnell, sowohl wegen des zur Neige gehenden Tages als auch auf Grund der sich steigernden Höhenlage. Dies mußte das Gleichgewicht etwas zu seinen Gunsten verschieben, weil er eine temperaturunabhängige Kreatur war, Tyrann jedoch nicht. Er konnte unabhängig von den äußeren Temperaturen effizient funktionieren - theoretisch. Ein Reptil in der Kälte war ein hilfloses Reptil.
Aber Tyrann schloß die Lücke weiter und war wieder einmal bis auf gut dreißig Meter heran. Jetzt mußte Cal um Felsen und Bäume herumkurven, um nicht überrannt zu werden. Der Teufel sollte die mächtigen Schritte des Dinosauriers holen! Dies sollte eigentlich vorteilhaftes Gelände für den Säuger sein - wegen der Myriaden von Spalten -, aber keine war für einen längeren Aufenthalt geeignet. Er mußte weiter.
Er war müde. Im Hinblick auf seine vergangene Geschichte befand er sich in vorzüglicher Kondition, aber für eine anstrengende Hetzjagd von mehreren Stunden war sein Körper nicht geschaffen. Tyrann hingegen konnte alle sein Stärken ausspielen. Ausdauer: ja. Oder bloßes Laufen.
Cal stürzte. Zuerst dachte er, daß ihn die Erschöpfung niedergestreckt hatte. Dann aber begriff er, daß ihn der Berg zu Boden geschleudert hatte. Die Erde bebte heftig, und Tyrann brüllte wütend und überrascht auf. Es war ein Erdbeben - viel stärker als die Erschütterung, die er gestern auf dem Floß beobachtet hatte.
Cal war klein, leicht und hatte Glück. Auf Tyrann traf das nicht zu. Der Dinosaurier wurde umgeworfen und rollte gut hundert Meter den Berg hinunter und krachte in ein Gehölz. Die Natur hatte diesmal doch auf den Favoriten gesetzt.
Cal brauchte die Erholung, war aber dennoch unzufrieden. Er wollte aufgrund seiner eigenen Fähigkeiten gewinnen, sonst nichts. Als die Erde ruhig war, setzte er sich nieder und wartete darauf, daß Tyrann die Jagd wieder aufnahm.
Der Dinosaurier brauchte seine Zeit dazu. Eine Behandlung wie diese war hart für ihn, wegen seiner Größe. Eine Maus konnte dreißig Meter steil nach unten fallen und ohne Schaden überleben. Ein Elefant konnte drei Meter fallen und auf der Stelle tot sein, weil die vergrößerte Masse Probleme bereitete. Tyrann war bloß gerollt, aber das hatte vermutlich zur brutalsten Erschütterung geführt, die ihm jemals widerfahren war. Innenorgane mochten gerissen sein, Knochen gesplittert.
Aber nein. Tyrann erhob sich und nahm den Aufstieg wieder auf, allerdings nur noch mit einem Bruchteil seiner bisherigen Energie. Jetzt konnte Cal seinen Vorsprung halten, ohne schwer zu atmen.
So ging es also weiter, langsamer. Die Luft wurde kühl und mehr als kühl, als Dämmerung und Höhe zusammentrafen. Trotz der Anstrengungen spürte Cal es. Seine Kleidung war am Körper getrocknet und sorgte für eine ganz brauchbare Isolierung. Aber er war nicht für Frosttemperaturen angezogen. Und doch blieb Tyrann hinter ihm, verletzt und verschrammt und durchgeschüttelt, aber anscheinend von den Temperaturen nicht berührt.
Natürlich!
Der Dinosaurier besaß eine beträchtliche Masse, die sich nur langsam abkühlte. Und seine gigantischen Muskeln würden sehr viel Hitze erzeugen, so daß er es noch länger aushalten konnte.
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