Manta 02 - Orn
Augenblick brauchen«, sagte sie. »Ich würde den Tag gerne an Land verbringen.«
Ja, sie verstand, zumindest intuitiv, die Notwendigkeit zu einem umgehenden Exodus. Wortlos kletterte er nach unten, um die nächste Kiste einzuhängen.
Es war eine Insel, über die ein stetiger Westwind hinwegwehte. Ein schmaler Strand voller Muscheln wich zum Landesinneren einem mächtigen Palmenhain. Eine Anzahl von braunen Vögeln nistete in dem Gewirr und ernährte sich von den Insekten der Umgebung und dem Meeresleben am Strand. Cal beobachtete sie, war aber nicht in der Lage, ihre spezielle Gattung zu identifizieren. Sie besaßen Schnäbel und Federn und die Verhaltensweise von Vögeln, paßten aber zu keinem Typ, den er kannte. Die meisten waren keine besonders guten Flieger. Für ihre Größe waren sie zu schwer und mußten zu oft eine Ruhepause einlegen. Er fragte sich, wie sie die Insel erreicht hatten. Vom Sturm hergetrieben - und dann vielleicht nicht mehr imstande, wieder zu fliehen.
Die Insekten und, Gliederfüßer andererseits waren ihm vertraut. Fliegen summten durch die Blätter und inspizierten die menschlichen Besucher hungrig. Einige erinnerten an Moskitos, andere an Wespen. Ein mausgrauer Schmetterling kam vorbei und flog weiter. Ein schwarzschildiger Käfer kletterte auf ein Stück Treibholz. In den Bäumen hatte Cal auch die Fäden von Spinnen entdeckt.
Krabben und Schnecken hielten das salzige Gelände besetzt, und Schwärme von kleinen Fischen kreuzten durch das flache Wasser. Sowohl die Luft als auch das Wasser waren warm und klar. Cal fühlte sich von der Brandung belebt, als er hineinwatete und sich bückte, um eine Sammlung von Muschelschalen aufzunehmen. Der Geruch der See war schon etwas.
Nach kurzer Zeit hatte er ein ganzes Bündel zusammengeklaubt. Er brachte es an den Strand, ebnete ein Stück Sand und legte die Muscheln, fein säuberlich nach Typen getrennt, in mehreren Reihen aus. Einige waren flach, andere spiralförmig, einige stumpfgrau, andere reich verziert. Er drehte jede einzelnen von ihnen um, studierte sie aufmerksam, und nach und nach stieg ungläubige Erregung in ihm auf. Erst die Andeutungen der Landkarte, nun diese Bestätigung.
Er dachte einen Augenblick nach, wobei sein Herz mit ungewohnter Heftigkeit schlug. Dann ging er zu dem Vorratslager hinüber, das sie in der Nähe des Unterholzes errichtet hatten, und holte seinen Sprechschreiber hervor. Er wählte eine Muschelschale aus und begann zu diktieren.
Cal legte die letzte Muschel zur Seite und sprach in seinen Schreiber:
»Art Mollusca, Klasse Pelecypoda, Ordnung Taxodon- ta, Subordnung Arcacea, Familie. Vergiß es, das muß ich erst nachschlagen. Nennen wir es eine Arca, fünf Zentimeter Durchmesser, Zustand gut erhalten.«
Er lächelte innerlich und machte eine Pause, um seine Auslagen liebevoll zu betrachten: eine große Anzahl von eßbaren Muscheln. Sie stellten nur einen groben Leitfaden in diese Welt dar, denn die Pelecypoden als Klasse hatten sich früh aufgespalten und sich danach ziemlich konservativ weiterentwickelt. In vierhundert Millionen Jahren der Erdgeschichte hatte es von den meisten Arten nur unbedeutende Modifikationen gegeben.
Er ging ein paar Schritte weiter zur Auslage der Gastropoden. Hier gab es viel mehr Variationen, denn die Schalen waren spiralförmig, bucklig und unterschiedlich gewunden, und einige waren sehr hübsch. Aber auch sie hatten keine entscheidende Bedeutung.
Tatsächlich faszinierte ihn am meisten das, was fehlte. Es gab nur sehr wenige Cephalopoden. Er hatte lange gesucht, aber nur zwei Schalen zutage gefördert, beides Belemniten. Das war höchst bezeichnend, denn die Cephalopoden hatten die Meere der Erde für dreihundert Millionen Jahre beherrscht, bis sie nach einem drastischen Selektionsprozeß ausgestorben waren. Die Belemniten hatten ihren polypenähnlichen Vettern Platz gemacht, aber die geologische Periode, in der Belemniten in Abwesenheit der Ammoniten existiert harten, war sehr begrenzt gewesen.
Die Geschichte, die seine sorgsam geordneten Muschelschalensammlung erzählte, war bemerkenswert. Ohne seine Referenztexte war er nicht über jedes Detail der wirbellosen Fossilien im Bilde, aber er war sich sicher, daß zufällige Übereinstimmungen nicht so weit gehen konnten. Die Fauna des seichten Gewässers entsprach der der Erde, Ordnung um Ordnung und vermutliche Spezies um Spezies. Nicht die zeitgenössische Erde, nein. Auch nicht die urzeitliche Erde. Aber definitiv die
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