Manta 02 - Orn
Veg. »Er begeht schon wieder Selbstmord!«
Aber so einfach war es nicht. Nach Circe wollte Cal gegen den Dinosaurier kämpfen. Ein rituelles Duell.
»Ich weiß, wie er denkt«, sagte Veg. »Er will beweisen, daß er es alleine kann. Aber er kann es nicht.«
»Du meinst, beweisen, daß er physisch stärker als ein Dinosaurier ist? Das hört sich nicht an wie.«
»Daß er durchkommen und diese Botschaft absenden kann, egal wie. Daß wir ihn verlassen haben, hat ihn nicht aufgehalten, Tyrann wird ihn nicht aufhalten. Das gibt ihm das Recht, glaubt er.«
Plötzlich begriff sie es. Die Säugetiere gegen die Reptilien, jede Seite durch ihr fortgeschrittenstes Stadium vertreten, ein Individuum, das dem anderen auf dem Feld der Ehre gegenübertritt. Der entscheidende Zweikampf. Der Karnosaurier besaß Größe und Kraft, der Mensch besaß Gehirn. Es war ein fairer Kompromiß, eine Methode, ein ansonsten unlösbares Dilemma beizulegen. Wenn Cal gewann, würde er seine Botschaft absenden und die Zerstörung als gerechtfertigt ansehen; wenn er verlor. Nun, das war auch ein Resultat, und er hatte den Weg gewählt, um es zu bekommen.
»Ich gehe da rüber«, sagte Veg.
»Veg.«
»Ich werde zum Festland schwimmen und am Ufer entlanglaufen müssen. Den Fluß überqueren, wo er schmaler ist, näher bei Lager Zwei. Hoffentlich finde ich seine Spur, oder vielleicht wird sie mir ein Manta zeigen. Der schnellste Weg. Könnte es noch rechtzeitig schaffen, ihn da rauszuholen.« Als er sprach, richtete er seine Kleidung aufs Schwimmen ein.
»Veg, ich glaube, wir sollten es ihn auf seine Weise machen lassen. Ihn allein. So will er es.«
»Er wird sterben!«
Sie zögerte. »Vielleicht. ist das am besten.«
Veg versteifte sich. Dann, so plötzlich, daß sie zuerst gar nicht begriff, was passiert war, schlug er sie. Sein Arm kam mit großem Schwung, traf sie seitlich am Kopf und ließ sie zu Boden taumeln.
Als sie sich wieder aufrichtete, war er im Wasser, schon auf dem Weg. Sie mußte für ein paar Augenblicke das Bewußtsein verloren haben, denn sie hatte ihn nicht hineingehen sehen.
Ihre Hand hob sich, um die schmerzende, anschwellende Seite ihres Gesichts behutsam zu berühren. Sein Handgelenk hatte ihren Backenknochen getroffen; es gab kein Blut. Veg hatte sich nicht einmal Zeit genommen, um nachzusehen, ob sie verletzt war. So nachdrücklich war sie darauf hingewiesen worden, wem seine Loyalität zuerst galt.
Hatte sie sich Sorgen gemacht, zwischen diese beiden Männer zu kommen? Sie hätte wissen sollen, daß diese Gefahr nicht bestand!
Aber noch immer kam es ihr so vor, daß Cal nicht nur Mut hatte, sondern auch recht. Sie konnte die Entscheidung hinnehmen, die auf diese Weise fiel. Veg, so lange er Cal auch kannte und so loyal er ihm gegenüber auch war, verstand es nicht. Nichts würde gelöst sein, wenn er »rechtzeitig« zur Stelle war.
Sie drehte sich um und stellte fest, daß Orn - ja, das war ein Name, der paßte - hinter ihr stand. Er war ganz nahe und plötzlich ziemlich beeindruckend, mit zahllosen kleinen Narben an den Beinen und am Schnabel und einigen Federn, die noch nicht vollkommen nachgewachsen waren, um verlorengegangene zu ersetzen. Während sie gedankenvoll dastand, hätte er sie leicht niederschlagen können, aber sie spürte keine Feindseligkeit in ihm.
Zögernd griff sie nach ihm, erfüllt von einem überwältigenden Bedürfnis nach Kameradschaft irgendeiner Art. Sie war jetzt allein, auf einer fremden Welt und ohne echte Hoffnung, die beiden Männer wiederzusehen. Cals Mission war selbstmörderisch - aber Vegs ebenfalls. Es mochte sein, daß die einzige Gesellschaft, die sie von nun an haben würde, die der großen Vögel war.
Orn öffnete seinen mächtigen Schnabel und umfing ihre Hand damit - und biß nicht zu. Sie spürte die messerscharfe Kante seines Kiefers und wußte, daß ihre Finger durch den schraubstockartigen Druck säuberlich abgetrennt werden konnten. Aber die Berührung war symbolisch.
Dann gab Orn ihre Hand frei und kehrte zu seinem Nest zurück. Es war so, als ob er sie berührt hatte, um sie zu trösten, aber nicht geblieben war, um eine Affäre daraus zu machen. Sie war zutiefst dankbar für die Geste.
Nach einer Weile machte sie sich auf und suchte auf dem Hauptteil der Insel nach eßbaren Wurzeln, da ihre Vorräte nicht unendlich lange reichen würden. Ihr Herz war nicht dabei, aber sie mußte essen. Sie fand eine einzelne Bananenstaude, aber die Frucht war nicht reif. Es
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