Manta 03 - Ox
Ablegen würde das Bewußtsein bald zum Chaos degenerieren. Aber Agenten wurden regelmäßig neuprogrammiert und brauchten deshalb keine Katalogisierung des Langzeitgedächtnisses. Sie sank vielmehr in ein tranceartiges Stadium, während dessen sich ihr Körper entspannte und ihr Verstand die Entwicklungen im Hinblick auf ihre Relevanz für die Mission überprüfte und ordnete. Es kostete sie eine Stunde. Auch dabei waren Agenten sehr effizient.
Die anderen schliefen jetzt, Cal tief, Aquilon leicht, während Veg eine REM-Phase durchmachte. Die beiden Mantas waren zum Kundschaften weg. Wenn sie Glück hatte, würden sie für mehrere Stunden die vermeintlich ruhende menschliche Gruppe nicht überprüfen. Sie stand auf und legte Bluse, Rock und Schuhe ab. Ihre Finger arbeiteten flink, trennten Säume auf und preßten den Stoff in neuer Form wieder zusammen. Das war ein Trick, den männliche Agenten nicht anwenden konnten!
Als die Oberkleidung fertig war, legte sie BH, Slip und Unterhemd ab und gab auch ihnen eine neue Form. Dann staffierte sie sich in neuem, kunstvollen Format aus, ließ ihr Haar herunter und entspannte sich.
Wie erwartet, Vegs REM-Phase ging in einen Wachzustand über. Es war nicht so, daß er im Zusammenhang mit seiner gescheiterten Affäre mit Aquilon anhaltende komplexe Einstellungsprobleme lösen mußte - obwohl er, dies tat. Er hatte lediglich vergessen, auf die Toilette zu gehen, bevor er sich niederlegte. Tamme hatte gewußt, daß er zum gegebenen Zeitpunkt aufwachen würde.
Veg trat aus dem Zelt hervor. Tamme setzte sich aufrecht, als er an ihr vorbeiging. Er machte halt, genau wie sie gewußt hatte. Er konnte sie in der Dunkelheit kaum sehen, aber er war sich ihres Aufenthaltsorts sehr wohl bewußt.
»Bin nur auf dem Weg zum.«, murmelte er.
»Kommt vor«, sagte sie, aufstehend, ihn ansehend, ganz nahe.
Hoffnung, Ablehnung und Argwohn durchliefen ihn. Sie nahm die gemischten, unfreiwilligen Signale seines Körpers auf: erhöhte Schweißabsonderung, schnellerer Puls, Zusammenziehen der Muskeln, Gerüche von vorübergehender Anspannung. Sie konnte ihn natürlich sehen, denn sie verfügte über ein künstliches scharfes Nachtsichtvermögen - aber ihre Ohren und ihre Nase hätten ausgereicht. Normale waren so einfach zu lesen.
Veg ging weiter, und Tamme ging mit ihm, ihn berührend und ihren Schritt dem seinen anpassend. Ihre Kleider gaben jetzt ein leises, suggestives Rascheln von sich, was eine neue Bewußtheit in ihm auslöste. Er nahm den Grund für seine erhöhte Aufmerksamkeit nicht bewußt wahr, aber die Wirkung war stark. Und in seiner gegenwärtigen Gemütsverfassung, getrennt von
Aquilon, war er für Tammes kalkulierte Attacke viel verwundbarer, als er es normalerweise gewesen wäre. Außerhalb des Auditoriums gab es eine Lichtblume, deren Neonblütenblätter auf vielen Wellenlängen Illumination verbreiteten. Jetzt konnte Veg sie sehen - und es war ein neuerlicher Schlag für ihn.
»Sie haben sich verändert!«
»Sie sehen mich bloß in einem anderen Licht«, murmelte sie und drehte sich leicht in der unterschiedlichen Beleuchtung.
»Tolles Licht!« rief er.
Sie könnte den Weg seiner Blicke allein an Hand seiner Reaktionen verfolgt haben: warmherzige Empfänglichkeit für Gesicht und Haar, halbschuldiger Voyeurismus für die Kurve ihres Busens und den neu arrangierten Blusenausschnitt, schuldige Begierde für den betonten Schwung von Hüfte und Hinterteil.
Aber sein Schuldgefühl war nicht geradeheraus. Normalerweise zögerte er nicht, sich für den Charme von Frauen empfänglich zu zeigen. Aber er hatte seit einiger Zeit keine Begegnungen mit anderen Frauen gehabt. Seine Erfahrung mit Aquilon und das Wissen, sich in Gesellschaft einer Agentin zu befinden, veran- laßten ihn, sich zurückzuhalten. Blusenausschnitte und Hinterteile gaben ihm keine Schuldgefühle. Die hatte er jetzt nur, weil er unter den herrschenden Umständen darauf reagierte. Andererseits erhöhte diese Schuld die Verlockung in einer Art umgekehrten Feedbacks. Verbotene Früchte!
Sie wandte sich ab, seinen Blick auf die Früchte unterbrechend, und ging als erste den Pfad entlang, wobei sie ihre Gangart nur um das notwendige Bißchen betonte, um den Blick unauffällig anzuziehen. Hier war der Weg wie ein Tunnel unter wirbelnden Nebeln. Lichtdurchlässige Figuren wurden undeutlich in der Umge- bung sichtbar, die jedoch nie klar zu erkennen waren, selbst für Tammes Augen. Es gab so viele Wunder in dieser
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