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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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werden uns
schockiert an ihn wenden: König Harry, es scheint, dass Sie all diese Jahre auf
ungesetzliche Weise mit einer Frau zusammengelebt haben, die nicht Ihre Ehefrau
ist. Er hasst es, wenn seine Erhabenheit dadurch angekratzt wird, dass er im Unrecht
zu sein scheint: und in genau dieses müssen wir ihn setzen, und zwar
entschieden. Vermutlich wird er uns anschreien und in einem Anfall von
Empörung zur Königin zurückeilen. Wenn nicht, muss ich die Dispens widerrufen
lassen, hier oder in Rom, und wenn es mir gelingt, ihn von Katherine zu
trennen, werde ich ihn schnell mit einer französischen Prinzessin verheiraten.«
    Überflüssig zu fragen, ob dem
Kardinal eine bestimmte Prinzessin vorschwebt. Es gibt nicht nur eine, sondern
zwei oder drei. Er lebt nicht in einer einzigen Wirklichkeit, vielmehr in einem
flexiblen Schattengeflecht von diplomatischen Möglichkeiten. Während er sein
Bestes tut, um zu erreichen, dass der König mit Königin Katherine und ihrer spanisch-kaiserlichen
Familie verheiratet bleibt, indem er Henry anfleht, seine Zweifel zu vergessen,
plant er gleichzeitig eine alternative Welt, in der die Zweifel des Königs
beachtet werden müssen und die Ehe mit Katherine nichtig ist. Sobald die Ehe
für ungültig erklärt wird - und die letzten achtzehn Jahre der Sünde und des
Leidens gelöscht sind -, wird er das Gleichgewicht Europas wiederherstellen,
England mit Frankreich verbünden und damit einen Machtblock formen, der dem
jungen Kaiser Karl, dem Neffen Katherines, Widerstand leisten kann. Und alle
Resultate sind dabei wahrscheinlich, alle Resultate können bewältigt, sogar zum
Wunschresultat geschönt werden: Gebete und Druck, Druck und Gebete; alles, was
geschieht, wird durch Gottes Willen geschehen, ein Wille, der durch hilfreiche
Korrekturen des Kardinals umgestaltet und erneuert wird. Früher sagte er: »Der
König wird dieses und jenes tun.« Dann begann er zu sagen: »Wir werden dieses
und jenes tun.« Jetzt sagt er: »Das ist, was ich tun werde.«
    »Aber was passiert mit der
Königin?«, fragt er. »Wenn er sie loswird, wohin wird sie gehen?«
    »Klöster können recht angenehm
sein.«
    »Vielleicht geht sie zurück
nach Spanien.«
    »Nein, das glaube ich nicht.
Spanien ist jetzt ein anderes Land. Es ist - wie lange? - siebenundzwanzig
Jahre her, dass sie nach England kam.« Der Kardinal seufzt. »Ich erinnere mich
an sie, an ihre Ankunft. Wie Sie wissen, wurden ihre Schiffe durch das Wetter
aufgehalten, und einen Tag nach dem anderen wurde sie im Kanal
durchgeschaukelt. Der alte König ritt durch das Land nach Süden, entschlossen,
sie zu treffen. Sie hielt sich in Dogmersfield auf, im Palast des Bischofs von
Bath, und die Reise nach London ging nur langsam voran; es war November, und
ja, es regnete. Bei seiner Ankunft bestand ihr Hofstaat auf den spanischen
Gepflogenheiten: Die Prinzessin muss verschleiert bleiben, bis ihr Mann sie an
ihrem Hochzeitstag sieht. Aber Sie kennen den alten König!«
    Natürlich kannte er ihn nicht;
er wurde ungefähr zu der Zeit geboren, als sich der alte König, Abtrünniger und
Flüchtling sein Leben lang, den Weg zu einem Thron erkämpfte, auf den er nur
einen vagen Anspruch hatte. Wolsey spricht, als hätte er alles selbst
miterlebt, als wäre er Augenzeuge gewesen, und in gewisser Weise ist es auch
so, denn die jüngste Vergangenheit fügt sich bloß zu den Mustern, die seine
überlegene Intelligenz anerkennt und die seinem Auge wohltun. Er lächelt. »Der
alte König... als er älter wurde, konnte jede Kleinigkeit sein Misstrauen
erregen. Demonstrativ zügelte er sein Pferd, um sich mit seiner Eskorte zu
beraten, dann sprang er aus dem Sattel - er war immer noch ein schlanker Mann -
und sagte den Spaniern ins Gesicht, er wolle sie sehen oder ... Mein Land und
meine Gesetze, sagte er; bei uns dulden wir keine Schleier. Warum darf ich sie
nicht sehen, bin ich betrogen worden, ist sie missgebildet, erwarten Sie von
mir, dass ich meinen Sohn Arthur mit einem Monster verheirate?«
    Thomas denkt, der alte König
habe sich übertrieben walisisch aufgeführt.
    »In der Zwischenzeit hatten
ihre Frauen das kleine Ding ins Bett gelegt; jedenfalls sagten sie das, weil
sie glaubten, im Bett wäre sie vor ihm sicher. Keineswegs. König Henry VII.
schritt durch die Räume und es sah so aus, als würde er gleich das Bettzeug
zurückzuziehen. Eilig bemühten sich die Frauen um Anstand und zogen ihr etwas
an. Er platzte in die Kammer. Bei ihrem Anblick war er

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