Mantel, Hilary
Staatseinkünfte erhält.«
»Wie soll ich ihn das fragen?«
»Bringen Sie Lady Anne dazu,
ihn zu fragen.«
»Vielleicht könnte Ihr Sohn
helfen, indem er Anne darum bittet.«
Sir Henry lacht; oder vielmehr
deutet er mit einem kleinen Ähem an, dass er weiß, es hat sich um einen Witz
gehandelt. Glaubt man den Trinkern in den Bierkneipen von Kent und den
Hintertreppengesprächen der Diener bei Hofe (dem Musiker Mark, zum Beispiel),
so hat Anne Thomas Wyatt alle Gefälligkeiten erwiesen, um die ein Mann
vernünftigerweise bitten kann, selbst in einem Bordell.
»Ich beabsichtige, in diesem
Jahr den Hofdienst aufzugeben«, sagt Sir Henry. »Es wird Zeit, dass ich mein
Testament mache. Darf ich Sie als Testamentsvollstrecker einsetzen?«
»Sie erweisen mir eine Ehre.«
»Es gibt niemandem, dem ich
meine Angelegenheiten lieber anvertrauen würde. Sie haben die sicherste Hand,
die ich kenne.«
Er lächelt verwirrt; nichts in
dieser Welt scheint ihm sicher.
»Ich kann Sie verstehen«, sagt
Wyatt. »Ich weiß, dass unser alter Freund in Scharlachrot Sie beinahe zu Fall
gebracht hat. Aber betrachten Sie es einmal so: Sie essen Mandeln, haben noch
all Ihre Zähne im Mund und Ihren Haushalt um sich, Ihre Geschäfte florieren,
und Männer wie Norfolk sprechen höflich mit Ihnen.« Vor einem Jahr noch,
braucht er nicht hinzuzufügen, haben dieselben Männer sich die Füße an Ihnen
abgewischt. Sir Henry bricht ab, zwischen den Fingern hält er eine Zimtwaffel
und legt sie sich sanft auf die Zunge, eine behutsame, eine weltliche
Eucharistie. Seit dem Tower sind vierzig Jahre oder mehr vergangen, aber sein
zertrümmerter Kiefer ist immer noch versteift und quält ihn mit Schmerzen.
»Thomas, ich muss Sie um etwas bitten ... Werden Sie ein Auge auf meinen Sohn
haben? Ein Vater für ihn sein?«
»Tom ist wie alt,
achtundzwanzig? Vielleicht möchte er gar keinen anderen Vater.«
»Sie können es nicht
schlechter machen als ich. Ich habe viel zu bedauern, insbesondere seine Ehe
... Er war siebzehn, er wollte nicht heiraten, ich wollte es, weil ihr Vater
Baron Cobham war, und ich wollte meine Position bei meinen Nachbarn in Kent
untermauern. Tom hat immer gut ausgesehen, er war genauso freundlich wie
höflich, man hätte geglaubt, dass er dem Mädchen genügen würde, aber ich weiß
nicht, ob sie ihm auch nur einen Monat lang treu war. Dann hat er es ihr natürlich
in gleicher Münze heimgezahlt... das Haus ist randvoll mit seinen Flittchen,
in Allington braucht man nur einen Wandschrank zu öffnen, und es fällt
irgendein Püppchen heraus. Er zieht in die Ferne, und was passiert? Er endet als
Gefangener in Italien, und das ist eine Angelegenheit, die ich nie verstehen
werde. Seit Italien ist er sogar noch unvernünftiger geworden. Gewiss, er
schreibt Ihnen Terzinen, aber dass er sich hinsetzt und feststellt, wohin sein
Geld verschwunden ist...« Er reibt sich das Kinn. »Aber so ist das nun mal.
Alles in allem gibt es keinen besseren Jungen als meinen.«
»Werden Sie wiederkommen und
uns Gesellschaft leisten? Sie wissen, dass es für uns ein Festtag ist, wenn
Sie uns besuchen.«
Sir Henry hievt sich in die
Höhe. Er ist ein beleibter Mann, obwohl er sich nur von dicker Suppe und Pürees
ernährt. »Thomas, wie kommt es, dass ich so alt geworden bin?«
Als sie in die Halle
zurückkehren, stellen sie fest, dass eine Aufführung im Gange ist. Rafe spielt
die Rolle von Leontina, und der Haushalt feuert ihn brüllend an. Es ist nicht
so, dass die Jungen die Geschichte mit dem Löwen nicht glauben, sie möchten sie
nur in ihre eigenen Worte kleiden. Er streckt mahnend eine Hand zu Richard
aus, der auf einem Hocker gestanden und gekreischt hat. »Du bist eifersüchtig
auf Tom Wyatt«, sagt er.
»Bitte nicht böse sein,
Master.« Rafe nimmt wieder menschliche Gestalt an und wirft sich auf eine
Bank. »Erzählen Sie uns von Florenz. Erzählen Sie uns, was Sie noch angestellt
haben, Sie und Giovannino.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob
das gut ist. Dann macht ihr ein Schauspiel daraus.«
Ach bitte, überreden sie ihn,
und er sieht sich um: Rafe ermuntert ihn mit einem Schnurren. »Ist
Nennt-mich-Risley auch ganz bestimmt nicht hier? Nun ... wenn wir einen freien
Tag hatten, haben wir immer Gebäude niedergerissen.«
»Niedergerissen?«, sagt Henry
Wyatt. »Das haben Sie getan?«
»Ich meine, wir haben sie in
die Luft gejagt. Und nicht ohne die Erlaubnis des Besitzers. Es sei denn, wir
glaubten, sie fielen in sich zusammen und
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