Mantel, Hilary
gibt es jede Menge
Musiker.«
»Lassen Sie ihn«, sagt Mary. »Er ist ein süßer Junge.«
Mary Boleyn steht auf. »Ich will nur ...«
»Jetzt wird Lady Carey eine
ihrer Konferenzen mit Master Cromwell abhalten«, sagt Mary Shelton in einem
Tonfall, in dem man angenehme Mitteilungen überbringt.
Jane Rochford: »Sie wird ihm
wieder mal ihre Tugend anbieten.«
»Lady Carey, was gibt es, das
nicht vor uns allen gesagt werden kann?« Aber Anne nickt. Er darf gehen. Mary
darf gehen. Vermutlich soll Mary Botschaften weitergeben, die sie, Anne, aus
Gründen des Takts nicht direkt ansprechen will.
Draußen: »Manchmal muss ich
einfach Luft holen.« Er wartet. »Jane und unser Bruder George, Sie wissen, dass
die beiden sich hassen? Er geht nicht mit ihr ins Bett. Wenn er nicht bei
irgendeiner anderen Frau ist, sitzt er nachts bei Anne in ihren Gemächern. Sie
spielen Karten. Sie spielen bis zur Morgendämmerung Pope Julius. Wussten Sie, dass der König
ihre Spielschulden bezahlt? Sie braucht ein größeres Einkommen und ein eigenes
Haus, einen Zufluchtsort, nicht so weit von London entfernt, irgendwo am Fluss
...«
»Wessen Haus schwebt ihr vor?«
»Ich glaube nicht, dass sie
jemanden hinauswerfen will.«
»Häuser gehören in der Regel
jemandem.« Da kommt ihm ein Gedanke. Er lächelt.
Sie sagt: »Einst habe ich
Ihnen geraten, Sie sollten sich von ihr fernhalten. Aber jetzt kommen wir
nicht ohne Sie aus. Selbst mein Vater und mein Onkel sagen das. Ohne die Gunst
des Königs, ohne seine beständige Anwesenheit wird nichts erreicht, gar
nichts. Und wenn Sie dieser Tage nicht bei Henry sind, will der König wissen,
wo Sie sind.« Sie tritt zurück und betrachtet ihn einen Augenblick lang
prüfend, als wäre er ein Fremder. »Meine Schwester auch.«
»Ich brauche einen Posten,
Lady Carey. Es reicht nicht, dem Rat anzugehören. Ich brauche einen
offiziellen Platz im Haushalt.«
»Ich werde es ihr sagen.«
»Ich möchte einen Posten im
Jewel House. Oder im Schatzamt.«
Sie nickt. »Sie hat Tom Wyatt
zum Dichter gemacht. Sie hat Harry Percy zum Wahnsinnigen gemacht. Ich bin ganz
sicher, dass ihr etwas einfällt, wozu sie Sie machen kann.«
Ein paar Tage, bevor das
Parlament zusammentrat, war Thomas Wyatt zu ihm gekommen, um sich dafür zu
entschuldigen, dass er ihn am Neujahrstag in aller Frühe aus dem Bett geholt
hatte. »Sie haben jedes Recht, verärgert zu sein, aber ich möchte Sie bitten,
mir nicht böse zu sein. Sie wissen ja, wie es Silvester zugeht. Trinksprüche
werden ausgebracht, der Humpen geht herum, und man muss den Humpen austrinken.«
Er beobachtet, wie Wyatt im
Zimmer umherläuft, zu neugierig und unruhig und auch etwas zu schüchtern, um
sich hinzusetzen und von Angesicht zu Angesicht Abbitte zu leisten. Wyatt dreht
an der bemalten Weltkugel und legt seinen Zeigefinger auf England. Er bleibt
stehen, um Bilder zu betrachten — auch ein kleines Altarbild - und dreht sich
mit fragendem Blick um; es gehörte meiner Frau, sagt er, es ist ein Andenken
an sie. Master Wyatt trägt eine steife Jacke aus cremefarbenem Brokat, besetzt
mit Zobel, den er sich vermutlich nicht leisten kann; er trägt ein Wams aus
lohfarbener Seide. Er hat weiche blaue Augen und eine goldene Haarmähne, die
sich lichtet. Manchmal legt er vorsichtig die Fingerspitzen an den Kopf, als
habe er immer noch das Kopfweh von Neujahr; in Wirklichkeit kontrolliert er
seinen Haaransatz, will feststellen, ob er in den letzten fünf Minuten
zurückgegangen ist. Er bleibt stehen und sieht sich im Spiegel an; das tut er
sehr oft. Mein Gott, sagt er. Dass ich mit dieser Bande durch die Straßen
gezogen bin! Ich bin zu alt für so ein Benehmen. Aber zu jung dafür, dass mir
die Haare ausfallen. Glauben Sie, Frauen macht das etwas aus? Viel? Glauben
Sie, wenn ich mir einen Bart wachsen lasse, lenkt das von ... Nein, vermutlich
nicht. Aber vielleicht mache ich es trotzdem. Der Bart des Königs sieht gut
aus, finden Sie nicht auch?«
Er sagt: »Hat Ihr Vater Ihnen
keine Ratschläge gegeben?«
»Oh ja. Trink eine Schale
Milch, bevor du ausgehst. Quittenkompott in Honig - glauben Sie, das hilft?«
Er versucht, nicht zu lachen.
Er will sie ernst nehmen, seine neue Position als Wyatts Vater. Er sagt: »Ich
meine, hat er Ihnen nie geraten, sich von Frauen fernzuhalten, an denen der
König interessiert ist?«
»Ich habe mich ferngehalten.
Erinnern Sie sich, dass ich nach Italien gegangen bin? Und danach war ich ein
ganzes Jahr in Calais. Aber
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