Mantel, Hilary
Livree
der Percys über Tischen zusammengesackt oder liegen darunter. Der Earl von
Northumberland trinkt in einem privaten Raum. Vielmehr wäre er privat, wenn es
keine Servierluke gäbe, in der immer wieder anzüglich grinsende Gesichter
erscheinen. Der Earl erblickt ihn. »Oh. Ich habe Sie halb erwartet.« Nervös
fährt er sich mit den Händen durch die kurzen Haare, sodass sie über den ganzen
Kopf hochstehen.
Er, Cromwell, geht zu der
Luke, hält seinen Zeigefinger vor den Zuschauern in die Höhe und knallt die
Luke zu. Aber seine Stimme ist sanft wie immer, als er sich zu dem Jungen setzt
und sagt: »Nun, Mylord, was ist zu tun? Wie kann ich Ihnen helfen? Sie sagen,
Sie können nicht mit Ihrer Frau zusammenleben. Aber sie steht an Liebenswürdigkeit
den anderen Damen in diesem Königreich in nichts nach, und wenn sie Fehler hat,
so habe ich nie davon gehört. Als o, warum kommen Sie nicht miteinander aus?«
Aber Harry Percy ist nicht
hier, um sich wie einen scheuen Falken behandeln zu lassen. Er ist hier, um zu
schreien und zu weinen. »Wenn ich schon an unserem Hochzeitstag nicht mit ihr
auskommen konnte, wie soll ich das jetzt können? Sie hasst mich, weil sie weiß,
dass wir nicht richtig verheiratet sind. Warum soll nur der König ein Gewissen
in dieser Hinsicht haben, warum nicht ich? Wenn er seine Ehe anzweifelt, ruft
er das in die ganze Christenheit hinaus, aber wenn ich meine anzweifle, schickt
er den niedrigsten seiner Diener, um mich zu beschwatzen und mir zu sagen, ich
solle nach Hause gehen und das Beste daraus machen. Mary Talbot weiß, dass ich
Anne versprochen war, sie weiß, für wen mein Herz schlägt und immer schlagen
wird. Ich habe schon früher die Wahrheit gesagt, ich sagte, wir haben vor
Zeugen einen Pakt geschlossen, und deshalb war keiner von uns beiden frei. Ich
habe es geschworen, und der Kardinal hat mich drangsaliert, um mich davon abzubringen;
mein Vater sagte, er würde mich aus seiner Linie streichen, aber mein Vater ist
tot, und ich habe keine Angst mehr, die Wahrheit zu sagen. Henry mag König
sein, aber er stiehlt einem anderen Mann die Frau; Anne Boleyn ist rechtmäßig
meine Ehefrau, und wie wird er am Tag des Jüngsten Gerichts dastehen, wenn er
nackt und ganz ohne sein Gefolge vor Gott kommt?«
Er lässt ihn ausreden, hört,
wie die Rede des Jungen abrutscht und taumelt, zusammenhanglos wird ... wahre
Liebe ... Versprechen ... schwor, sie würde mir ihren Körper schenken, erlaubte
mir Freiheiten, wie sie nur eine Anverlobte erlauben würde ...
»Mylord«, sagt er. »Sie haben
gesagt, was Sie zu sagen haben. Jetzt hören Sie mir zu. Sie sind ein Mann,
dessen Geld fast vollständig ausgegeben ist. Ich bin ein Mann, der weiß, wie
Sie es ausgegeben haben. Sie sind ein Mann, der sich in ganz Europa Geld
geliehen hat. Ich bin ein Mann, der Ihre Gläubiger kennt. Ein Wort von mir, und
Ihre Schulden werden eingefordert.«
»Ach, und was können sie tun?«,
sagt Percy. »Bankiers haben keine Armeen.«
»Sie haben auch keine Armeen,
Mylord, wenn Ihre Schatullen leer sind. Sehen Sie mich an. Sie müssen sich
eines klarmachen. Der König hat Ihnen Ihre Grafschaft verliehen. Ihre Aufgabe
ist es, den Norden zu sichern. Die Percys und die Howards verteidigen uns
gemeinsam gegen Schottland. Nun nehmen wir mal an, dass Percy es nicht schafft.
Ihre Männer werden sich nicht durch ein freundliches Wort zum Kampf bewegen
lassen ...«
»Es sind meine Pächter, es ist
ihre Pflicht zu kämpfen.«
»Aber, Mylord, sie brauchen
Vorräte, sie brauchen Nachschub, sie brauchen Waffen, sie brauchen Mauern und
Festungen in ordentlichem Zustand. Wenn Sie diese Dinge nicht gewährleisten
können, sind Sie mehr als nutzlos. Der König wird Ihnen Ihren Titel und Ihr
Land und Ihre Schlösser wegnehmen und sie jemandem geben, der die Aufgabe
erfüllt, die Sie nicht erfüllen können.«
»Das wird er nicht. Er
respektiert alle alten Titel. Alle alten Rechte.«
»Dann sagen wir mal, dass ich
es tun werde.« Sagen wir, dass ich Ihr Leben in Stücke reiße. Ich und meine
Bankiersfreunde.
Wie kann er es ihm erklären?
Die Welt wird nicht dort gelenkt, wo er denkt. Nicht in seinen Grenzfestungen,
nicht einmal in Whitehall. Die Welt wird in Antwerpen gelenkt, in Florenz, an
Orten, die er sich nie vorgestellt hat; in Lissabon, wo die Schiffe mit Segeln
aus Seide nach Westen treiben und in der Sonne glühen. Nicht auf Burgmauern,
sondern in Kontoren, nicht durch das Hornsignal, sondern durch das
Weitere Kostenlose Bücher