Mantel, Hilary
seinen Ton. »Ich sage, der Kaiser hat mit den Türken zu tun,
und so gern hat er seine Tante auch wieder nicht - mit Verlaub -, dass er eine
weitere Armee aufstellt. Aber andere sagen: Ach, seien Sie ruhig, Cromwell, was
wissen Sie schon? Diese anderen sagen, wir müssen unsere Häfen befestigen, wir
müssen Truppen ausheben, wir müssen das Land in Alarmbereitschaft versetzen.
Chapuys, wie Sie wissen, setzt sich ständig bei Karl dafür ein, dass eine
Blockade gegen unsere Häfen verhängt wird und dass unsere Waren und
Handelsschiffe im Ausland beschlagnahmt werden. In jedem Bericht an den Kaiser
drängt er auf Krieg.«
»Ich habe keine Kenntnis
davon, was Chapuys in seine Berichte aufnimmt.«
Das ist eine so unglaubliche
Lüge, dass er sie nur bewundern kann. Nachdem Katherine sie vorgebracht hat,
scheint sie geschwächt; sie sinkt in ihren Sessel zurück, und bevor er es für
sie tun kann, beugt sie sich angestrengt nach unten, um ihre Näharbeit
aufzuheben; ihre Finger sind geschwollen, und das Hinunterbeugen scheint ihr
den Atem zu nehmen. Sie sitzt einen Moment still und erholt sich, und als sie
wieder spricht, ist sie ruhig und bedächtig. »Master Cromwell, ich weiß, dass
mein Versagen Sie enttäuscht hat. Das heißt, ich habe Ihr Land enttäuscht, das
inzwischen auch mein Land ist. Der König war mir ein guter Ehemann, aber als
Ehefrau konnte ich ihm nicht geben, was für ihn am notwendigsten war. Und
dennoch war ich, bin ich, eine Ehefrau - Sie verstehen, nicht wahr, dass ich
unmöglich glauben kann, zwanzig Jahre lang eine Dirne gewesen zu sein. Nun, die
Wahrheit ist, dass ich England wenig Gutes getan habe, aber ich würde ihm
ungern Schaden zufügen.«
»Aber das tun Sie, Madam. Sie
mögen es nicht wollen, aber der Schaden ist da.«
»Mit einer Lüge ist England
nicht gedient.«
»So denkt Dr Cranmer. Deshalb
wird er Ihre Ehe annullieren, ob Sie vor Gericht erscheinen oder nicht.«
»Dr Cranmer wird auch
exkommuniziert werden. Kommen ihm gar keine Zweifel? Ist er so weit von allem
abgewichen?«
»Der Erzbischof ist der beste
Hüter der Kirche, Madam, den wir in vielen Jahrhunderten hatten.« Er denkt
daran, was Bainham sagte, bevor sie ihn verbrannten; in England gab es
achthundert Jahre der Verwirrung und nur sechs Jahre der Wahrheit und des
Lichts, sechs Jahre, seit das Evangelium auf Englisch nach und nach in das
Königreich gelangte. »Cranmer ist kein Häretiker. Er glaubt, wie auch der König
glaubt. Er wird das reformieren, was der Reformation bedarf, das ist alles.«
»Ich weiß, wo das enden wird.
Sie nehmen der Kirche die Ländereien weg und geben sie dem König.« Sie lacht.
»Oh, Sie sind stumm? Sie werden es tun. Das ist Ihre Absicht.« Sie klingt
beinahe unbeschwert, wie es Menschen manchmal tun, wenn man ihnen sagt, dass
sie ster ben.
»Master Cromwell, Sie dürfen dem König versichern, dass ich keine Armee gegen
ihn aufbringen werde. Sagen Sie ihm, dass ich täglich für ihn bete. Einige
Leute, solche, die ihn nicht kennen, wie ich ihn kenne, sagen: Ach, er wird
seinen Willen durchsetzen, er wird sich seinen Wunsch um jeden Preis erfüllen^
Ich aber weiß, dass er auf der Seite des Lichts sein muss. Er ist kein Mann wie
Sie, der einfach seine Sünden in die Satteltaschen packt und sie von Land zu
Land trägt, und wenn sie zu schwer werden, pfeift er ein oder zwei Maultiere
herbei, sodass er bald einen ganzen Zug und eine Truppe Maultiertreiber kommandiert.
Henry mag irren, aber er braucht die Vergebung. Und deshalb glaube ich und
werde auch weiterhin glauben, dass er diesen Irrweg verlässt, um im Frieden mit
sich selbst zu sein. Und Frieden wünschen wir uns alle, dessen bin ich mir
sicher.«
»An welch friedfertiges Ende
Sie kommen, Madam. »Frieden wünschen wir uns alle.< Wie eine Äbtissin. Sind
Sie übrigens ganz sicher, dass Sie nicht in Erwägung ziehen würden, Äbtissin zu
werden?«
Ein Lächeln. Ein recht breites
Lächeln. »Es wird mir leid tun, wenn ich Sie nicht mehr sehe. Sie sind so viel
schlagfertiger als die Herzöge.«
»Die Herzöge werden
wiederkommen.«
»Ich bin gewappnet. Gibt es
Nachrichten von Mylady Suffolk?«
»Der König sagt, sie liegt im
Sterben. Brandon ist ganz mutlos geworden.«
»Das glaube ich gern«, murmelt
sie. »Ihr Einkommen als Königinwitwe von Frankreich stirbt mit ihr, und das
ist der größere Teil seiner Einkünfte. Aber Sie werden ihm zweifellos ein
Darlehen vermitteln. Zu einem ungeheuerlichen Zinssatz.« Sie sieht auf.
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