Mantel, Hilary
Audleys Würde hat
nicht gelitten, aber der Herzog sieht aufgewühlt aus; als er versuchte
aufzustehen, ließen ihn seine alten Knie im Stich, und er und Audley mussten
ihn an den Ellenbogen hochziehen und auf die Füße stellen. »Ich glaubte schon,
ich würde noch eine ganze Stunde auf den Knien liegen und ihn anflehen
müssen.«
»Der Witz ist«, sagt er zu
Audley, »More bekommt immer noch eine Pension aus dem Schatzamt. Ich denke, die
Zahlung sollte eingestellt werden.«
»Er hat jetzt etwas Raum zum
Atmen. Ich bete zu Gott, dass er zur Vernunft kommt. Hat er seine
Angelegenheiten geregelt?«
»Was er kann, hat er an die
Kinder überschrieben. Das hat mir Roper gesagt.«
»Ach, Sie Anwälte!«, sagt der
Herzog. »Wer wird sich um mich kümmern, wenn ich einmal untergehe?«
Norfolk schwitzt; er
verlangsamt seine Schritte, und Audley tut es auch, sodass sie dahinbummeln und
Cranmer ihnen folgt wie ein nachträglicher Einfall. Er dreht sich um und nimmt
seinen Arm. Cranmer war bei jeder Sitzung des Parlaments dabei: Ansonsten war
die Bank der Bischöfe auffallend unterbesetzt.
Der Papst wählt diesen Monat,
in dem er, Cromwell, seine großen Gesetzesvorlagen durch das Parlament bringt,
um endlich sein Urteil zu Königin Katherines Ehe abzugeben - ein so lange
hinausgezögertes Urteil, dass er schon glaubte, Clemens würde unentschlossen
darüber hinwegsterben. Die ursprünglichen Dispense, findet Clemens, sind gültig
- daher ist die Ehe gültig. Die Unterstützer des Kaisers brennen
Feuerwerkskörper in den Straßen Roms ab. Henry reagiert mit Verachtung und
Hohn. Er drückt diese Gefühle beim Tanzen aus. Anne kann noch tanzen, obwohl
ihr Bauch zu sehen ist; sie muss den Sommer ruhig angehen lassen. Er erinnert
sich an die Hand des Königs auf Lizzie Seymours Taille. Daraus ist nichts
geworden, die junge Frau ist nicht dumm. Jetzt ist es die kleine Mary Shelton,
die er herumwirbelt, in die Luft hebt, die er kitzelt und drückt und der er mit
Komplimenten den Atem nimmt. Diese Dinge bedeuten nichts; er sieht, wie Anne
ihr Kinn in die Höhe hebt und ihren Blick abwendet und sich auf ihrem Stuhl
zurückfallen lässt, dabei gibt sie mit einem schelmischen Ausdruck einen
gemurmelten Kommentar ab; ihr Schleier streift einen winzigen Augenblick lang
die Jacke von Francis Weston, dieser grinsenden Kanaille. Es ist klar, dass
Anne denkt, Mary Shelton müsse toleriert, sogar bei Laune gehalten werden. Es
ist am sichersten, den König bei Kusinen zu wissen, wenn keine Schwester zur
Hand ist. Wo ist Mary Boleyn? Auf dem Land, und vielleicht sehnt sie sich genau
wie er nach wärmerem Wetter.
Prompt trifft der Sommer an
einem Montagmorgen ohne Unterbrechung durch den Frühling ein, wie ein neuer
Dienstbote mit strahlendem Gesicht: 13. April. Sie sind in Lambeth - Audley,
er selbst, der Erzbischof - und die Sonne scheint kräftig durch die
Fensterscheiben. Er steht da und sieht hinunter in die Palastgärten. So fängt
das Buch Utopia an:
Freunde unterhalten sich in einem Garten. Auf den Wegen unten fechten Hugh
Latimer und einige der Kapläne des Königs einen Spaßkampf aus, schubsen sich
wie Schuljungen, und Hugh hängt sich zwei geistlichen Kollegen um den Hals,
sodass seine Füße über dem Boden baumeln. Sie brauchen nur noch einen Fußball,
um einen richtigen Feiertag daraus zu machen. »Master More«, sagt er, »warum
gehen Sie nicht hinaus und genießen die Sonne? Und wir rufen in einer halben
Stunde wieder nach Ihnen und legen Ihnen den Eid vor: Und Sie geben uns eine
andere Antwort, ja?«
Er hört Mores Gelenke knacken,
als dieser aufsteht. »Thomas Howard ist für Sie auf die Knie gegangen!«, sagt
er. Das scheint Wochen her zu sein. Nächtliche Sitzungen und jeden Tag ein
neuer Streit haben ihn ermüdet, aber auch seine Sinne geschärft, sodass er
bemerkt, wie Cranmer sich in seinem Rücken in eine furchtbare Sorge hineinsteigert,
und er will, dass More den Raum verlässt, bevor der Damm bricht.
»Ich weiß nicht, was eine
halbe Stunde Ihrer Meinung nach bei mir bewirken soll«, sagt More. Sein Tonfall
ist ungezwungen, scherzhaft. »Aber natürlich könnte sie bei Ihnen etwas
bewirken.«
More hat darum gebeten, eine
Kopie des Gesetzes zur Regelung der Thronfolge zu sehen. Diese wird jetzt von
Audley entrollt; angelegentlich beugt er den Kopf und beginnt zu lesen, obwohl
er es schon ein Dutzend Mal gelesen hat. »Sehr gut«, sagt More. »Aber ich denke
doch, dass ich mich klar ausgedrückt habe. Ich kann
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