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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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biss herzhaft in die Semmel und konnte es kaum noch abwarten, Tinnis unerschöpfliche Informationsquellen anzuzapfen. Er hatte keine Ahnung, wie sie das fertigbrachte, aber es gab so gut wie nichts, was ihr in dieser Stadt verborgen blieb. Oft wartete sie schon nach wenigen Stunden mit Ergebnissen auf.
    Das ließ sie sich jedoch teuer bezahlen. Da machte sie auch bei guten Freunden keinen Unterschied, und so war er schon öfter mit leerer Brieftasche aus diesem Etablissement gekommen. Seine Laune bekam einen Dämpfer, denn seit sich sein großzügigster Mandant als Mörder entpuppt und Selbstmord begangen hatte, herrschte in seiner Kasse permanente Ebbe. Und wenn es dieses Mal anders ginge? Wenn es ihm gelang, Tinnis Herz zu rühren und Theo bei seiner Ganovenehre zu packen? Als er sich über das zweite Brötchen hermachte, stand seine Taktik fest.
    Natürlich aß auch Tinni mit, obwohl sie sicher erst vor einer halben Stunde gefrühstückt hatte. „Ich muss mein Gewicht halten“, schmunzelte sie und biss in ein Schinkenbrötchen.
    Erst als Theo abgeräumt hatte und eine Runde Zigaretten ausgab, kam Tinni wieder auf das seltsame Verhalten von Chris zurück. So lautete hier das oberste Gesetz: Erst das Vergnügen, dann das Geschäft.
    „Also?“, sagte sie nur und sah ihn aufmerksam an.
    Chris holte tief Luft und stürzte sich in einen ausführlichen Bericht. Er betonte das beschädigte Auto und hielt sich lange bei der Beschreibung auf, unter welchen Qualen Claudia hatte sterben müssen. Schließlich schilderte er die Verfassung, in der sich die Eltern befanden und seine eigene Gemütslage bei all dem. Er übertrieb nichts, erzählte alles jedoch mit so drastischen Worten, dass es seine beiden Zuhörer bis ins Mark treffen musste.
    Tinni schwieg denn auch lange, als Chris endlich fertig war. Ihre Nasenflügel waren gebläht und langsam liefen ein paar Tränen über ihre runden Wangen.
    „Kastrieren müsste man diese Typen“, murmelte sie schließlich und wischte sich über die Augen. „Aber scheibchenweise.“
    „Können wir was tun?“, fragte Theo. Der sonst so fröhliche kleine Kerl war ernster, als Chris ihn je gesehen hatte.
    „Hört euch um“, verlangte er. „Das Auto muss doch zu finden sein. Vielleicht schwingt auch einer blöde Reden, äußert perverse Phantasien — na, ihr wisst schon.“
    Während seiner Worte wurde ihm furchtbar heiß. Wenn seine Rechnung nicht aufging, würde das ein verdammt teurer Auftrag.
    Tinni und Theo wechselten einen kurzen Blick. Dann nickte die „Venus von Kilo“ bedächtig. „Geht klar! Wenn du weitere Details hast, gib sie uns durch. Und keine Sorge um deine Brieftasche. Das macht die Szene ehrenamtlich sozusagen. Jedem von uns wäre es ein Vergnügen, den Typen in die Finger zu bekommen.“
    Chris atmete erleichtert auf. Wie erhofft, hatte er den Nerv der Rotlichtszene getroffen. „Ich hab versprochen, dass ihr diskret seid“, sagte er lächelnd.
    „Hat deine Bullenfreundin Angst, eurem Mörder könnte der Arsch auf Grundeis gehen und er würde einfach verschwinden?“, fragte Tinni verächtlich.
    „So ähnlich, ja.“
     
    Als Chris eine Stunde später durch den Lieferanteneingang ins Freie trat, war er ruhig und zuversichtlich. Das gesamte Milieu würde Augen und Ohren offenhalten, den geringsten Anhaltspunkt an Chris weitergeben, aber selbst nicht aktiv werden. Das hatte Theo jedenfalls versprochen. Und so ganz nebenbei wollte er sich auch um eine Wohnung kümmern.
    Sie waren beinahe gleichzeitig zu Hause. Als Chris die Tür aufschloss, lehnte Karin an der Kommode im Flur und zog ihre Daunenjacke aus. Sie war den ganzen Tag im Labor gewesen und hatte die Loire-Filme entwickelt. Eine ziemliche Schinderei, vor allem für die Augen belastend. Entsprechend müde sah sie aus. Die blonden Locken waren zerzaust, die blaugrauen Augen gerötet.
    Trotzdem strahlte sie, als Chris sie gleich in die Arme nahm und sich an sie kuschelte. Der herbe Duft ihres Parfums und die Wärme ihrer Haut ließen ihn beinahe wohlig brummen.
    „Schlimm gewesen?“, murmelte Karin nach einer Weile und küsste seine stoppelige Wange.
    „Furchtbar“, gab er leise zu. „Seibold spielt einerseits den starken Mann, andererseits schüttelt ihn ein Heulkrampf nach dem anderen. Und Monika … Ach, du Scheiße!“
    „Was?“
    Chris ließ sie los und fasste in seine linke Manteltasche. „Ich hab diese verdammten Lakritzschnecken vergessen!“, sagte er dabei und zog die Tüte aus der

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