Mantramänner
der Suche nach Erleuchtung. Und dem nächsten Mann, mit dem ich weniger Fehler machen würde.
Chris, dachte ich mir beim Ausatmen. Chris, Chris, Chris.
Unmöglich. Das war kein Mantra, das war eine Halskrankheit. Schlimmer als die Röchel-Atemübung mit den zwei Nasenlöchern.
Musste ich eben etwas anderes ausprobieren. Nur so, ganz unverbindlich.
Siv. Schnief. Siv. Schnief.
Auch nicht besser? Vielleicht klappte es mit der langen Form besser.
Sivananda.
Ah.
Sivananda.
Das war nun gleich ein ganz anderer Schnack. Sanft und butterweich, ein Name, der an eine laue Partynacht in Goa denken ließ, an
seidige Luft und würzigen Geschmack und ein nächtliches Bad, Sarongs mit nichts drunter und …
Nee. So ging das auch nicht. Gedanken sollte man anschauen und wegschieben, also sollte man sich ein Mantra aussuchen, das weniger sündige Gedanken machte. War ja sonst schade drum.
Ein Gong ertönte, und ich öffnete verwirrt die Augen. Draußen war es jetzt vollständig dunkel. Satya griff nach einem länglichen Stück Stoff, legte es sorgsam über die Tasten seiner Hammondorgel und deutete dann auf zwei Schüsseln.
»Jetzt brauch’ ma noch zwei, drei Freiwillige, die des Prasad verteilen. «
Ich hatte es gewusst. Wie gut, dass ich so weit hinten saß. Was auch immer Prasad war, ich wollte es jedenfalls nicht ausgeben.
Erstaunt sah ich, wie mehrere Frauen in der ersten Reihe begeistert aufsprangen und danach griffen. Schien sich um eine Art Ehrenamt zu handeln. Und das war nicht für jedermann. Die, die leer ausgegangen waren, schlichen folgsam an ihren Platz zurück, die zwei Siegerinnen nahmen die Schüsseln und begannen durch die Reihen zu gehen. Eine Große mit einem graublonden Afro, eine klapperdürre Kleine mit spitzer Nase und kindlichen Haarspangen. Dabei legten sie jedem eine kleine Portion Obstsalat in die geöffneten Hände. Es sah aus wie bei einer Armenspeisung in Kalkutta.
Meine Sitznachbarin, die mich über den Weltfrieden aufgeklärt hatte, beugte sich zu mir mit diesem freundlichen Mitleid im Blick, das ich allmählich gut kannte.
»In den Früchten ist die ganze Kraft der Mantras konzentriert«, flüsterte sie, »das ist die wertvollste Nahrung überhaupt.«
»Seid’s doch bitte noch so gut und schaut’s nachher auf der Anschlagtafel an der Rezeption«, meldete sich Satya wieder zu Wort. »Da könnt’s nachlesen, wer morgen für welche Aufgabe eingeteilt ist.«
Karma Yoga. Die meinten das wirklich ernst.
Eine der dünnen Frauen stand mit der Obstschale vor mir und legte mir mit huldvollem Gesichtsausdruck einen bräunlichen Apfelschnitz und zwei angefeuchtete Cashewkerne in die Hand. Ich stellte mir vor, dass zufällig die gesamte Gesangsenergie von Siv in meinem
Stück Obst gelandet war, das half, meinen leichten Ekel zu überwinden. Melli kaute bereits andächtig auf etwas herum und lächelte mich über ihre Schulter hinweg an.
Später drängelten wir uns in einer größeren Menschenmenge vor dem Flipchart und suchten unsere Namen. Meinen fand ich bei den Küchenhilfen, direkt unter Mellis. Anna sollte Fenster putzen, Nadine im Garten helfen. Der letzte Name in ihrer Gruppe lautete Siv. Blauer Edding auf weißem Papier.
Wir alle hatten heute Abend noch etwas zu besprechen.
Schweigegebot hin oder her.
SHAVASANA
Die Ruhestellung (Shavasana) wird auch die Totenstellung genannt. Trotz ihres Furcht einflößenden Namens führt sie zu innerer Ruhe und Freude und zu einem Körperbewusstsein, das bereits eine heitere Ahnung von Transzendenz in sich trägt.
»Wisst ihr eigentlich, was das Beste am Yoga ist?«, fragte Nadine gut gelaunt und ließ sich mit Karacho in die Kissen zurückfallen. Anna konnte gerade noch ausweichen.
»He«, meckerte sie, »das ist meine Seite!«
»Meine Seite, deine Seite – mach dich mal locker! Wir sind hier schließlich im Ashram!«
»Deshalb will ich trotzdem nicht deine Haare auf meinem Kissen.«
»Also, das Beste am Yoga ist«, plapperte Nadine unbekümmert weiter, »dass man dabei auch noch gut aussieht. Überlegt mal, was wir sonst für Sport gemacht haben! Dieses ganze Geschwitze beim Work-out im Fitnessstudio, das war doch kein schöner Anblick.«
»Und diese ausgestellten Hosen sahen auch nicht wirklich gut aus. Außer an Victoria Beckham.«
»Ich hatte eine in Neon-Orange!«
»Erinnerst du dich an meine mit dem Tigermuster?«
»Die Wahrheit ist so bitter.«
Nadine und Anna erhoben sich aus ihrer entspannten Rückenlage und klatschten die
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