Mantramänner
Handflächen aneinander wie zwei schwarze Rapper, denen ein besonders gemeiner Reim eingefallen war. Leise quietschten die Matratzen einen Rhythmus dazu. Ich sah auf die Uhr. Gleich würde die strenge Pferdeschwanzfrau die Tür aufreißen
und uns mindestens fünfzehn Minuten Strafschweigen aufbrummen.
»Wollt ihr nicht zu uns ins Bett kommen?«, fragte Nadine und klopfte einladend auf ihr Fußende. Dort hätte zwar allenfalls Paris Hiltons Hund Platz gehabt, aber die Geste wusste ich zu schätzen.
»Lass mal gut sein«, sagte ich, »ich wollte schon immer auf einem original niedersächsischen D-Lagen-Pensionsstuhl sitzen. Da muss man jede Minute genießen.«
Ich warf einen Blick zu Melli, aber die fühlte sich augenscheinlich nicht angesprochen. Schon die ganze Zeit saß sie an die Wand gelehnt im Schneidersitz und flocht Zöpfchen aus den Fransen einer karierten Wolldecke.
Entweder sie war müde. Oder sie nahm das hier verdammt ernst. Und war böse auf uns, weil wir es nicht taten. Wenigstens nicht so.
Es gab noch einen dritten Grund, aber an den wollte ich lieber gar nicht so genau denken.
»Sagt mal«, ich senkte verschwörerisch meine Stimme, »wollt ihr wirklich den ganzen Abend beim Ingwertee bleiben oder mal auf was Härteres umsteigen?«
»Was hättest du denn?«, fragte Anna interessiert. »Rotbusch?«
»Mehr rot als Busch«, flüsterte ich, griff in meine Handtasche neben mir auf dem Boden und förderte die Chiantiflasche zutage.
Nadine stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Sweetie«, sie nickte mir zu, »du entwickelst ja richtig kriminelle Energie.«
Anna blickte zweifelnd zwischen Nadine und mir hin und her. »Ich weiß nicht«, sie hob abwehrend die Hände, »das stand aber anders in unserem Vertrag.«
»Alles, was Spaß macht, ist entweder unmoralisch, illegal oder macht dick«, gab ich leichthin zurück und stand auf, um im Bad nach Zahnputzbechern zu suchen, die man als Weingläser zweckentfremden konnte. Endlich hob auch Melli den Kopf.
Ihr Blick war nicht nur eisig. Er war unter null. Minus 273,15 Grad Celsius. Kälter konnte es nicht mehr werden.
»Ich finde das ganz, ganz schlimm«, sagte sie schließlich. »Ihr seid so oberflächlich. Könnt euch überhaupt nicht einlassen auf das hier.«
»Hä?«, fragte Anna ungewöhnlich wenig wortgewandt.
»Was ist das denn jetzt, Sweetie«, fragte auch Nadine, »vor ein paar Monaten hast du dich noch lustig gemacht, als Anna und ich angefangen haben, uns für Yoga zu interessieren. Und jetzt bist du plötzlich selbst der Oberguru?«
Melli knetete noch immer ihre Wollfransen. »Ich glaube«, antwortete sie dann ganz leise, »ich glaube, dass Yoga wirklich sehr viel verändern kann. Nicht nur, dass man weniger Rückenschmerzen hat oder so, sondern das ganze Leben. Das eigene Denken, die eigenen Beziehungen. Aber dann muss man sich eben auch mit ganzer Seele und ganzem Herzen dafür öffnen.«
Unschlüssig stellte ich die Weinflasche auf dem Tisch vor mir ab und setzte mich wieder. Ich wollte ja nicht die ganze Liebes- und Friedensenergie im Haus wieder zunichtemachen. Und so ein handfester Streit unter besten Freundinnen konnte mit Sicherheit mindestens eine Stunde Mantrasingen ruinieren.
»Pfft«, Nadine schnaubte, »solche Sätze lese ich doch jede Woche in der ›Gala‹. Nenn mir ein einziges Model, das noch kein Yogabuch geschrieben hat! Oder eine Schauspielerin, die nicht mit irgendeinem hutzligen tibetischen Mönch trainiert! Die sagen das doch alle: Dass Yoga ihr Leben total verändert hat. Und das glaub ich denen auch sofort, das ist ein super Workout und ist wahrscheinlich ganz entspannend, wenn man so eine Promi-Existenz führt. Aber hast du schon mal eine von denen mit einem Teebecher auf der Oscar-Verleihung gesehen? Oder denkst du ernsthaft, Richard Gere putzt in Himalajaklostern die Klos? Jennifer Aniston gräbt mittags schwitzend ein Blumenbeet um, damit ihr Karma besser wird?«
Blumenbeet. Das war doch mein Stichwort.
»Ach ja, wenn du gerade von Gartenarbeit sprichst«, sagte ich betont lässig und kniebelte an dem Etikett der Weinflasche herum, »möchtest du zufällig mit mir tauschen? Küchendienst?«
Verblüfft sah Nadine mich an. »Wie? Du willst freiwillig in den Matsch?«
Ich zuckte die Achseln. »Nur die Harten kommen in den Garten. Im Ernst, mir macht das nichts aus. Außerdem«, ich senkte vertraulich
die Stimme, »hatte ich in letzter Zeit häufig diese seltsamen Hautirritationen … ich fürchte, ich
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