Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
Vom Netzwerk:
Bar. Und dann war da noch die Sache mit Melli. Seit unserem Yogaseminar hatte ich das deutliche Gefühl, sie könnte es mir übel nehmen, wenn Siv und ich allzu offensichtlich vor ihren Augen anbandelten. Und das wollte ich nicht riskieren.

    Die Seite der Buddha Lounge überzeugte mich schließlich. Dort gab es keinen Film vom Übungsraum, stattdessen Fotos von bildschönen Frauen am Strand, die meditativ in weißer, fließender Kleidung im Sand hockten. Dieser Typ Frau, von dem man nie wusste, ob sie wirklich schon so aussahen, wenn sie morgens aus dem Bett kamen, oder ob die Bed-Head-Frisur in stundenlanger Kleinarbeit von einem Star-Friseur gebastelt war. Der lila Schriftzug »Buddha Lounge goes Beach!« lief immer wieder quer über meinen Bildschirm, und darunter fand ich die Information, dass Sivs Kurse ab Anfang Juni jeden Freitagmorgen um halb acht in einem Beachclub stattfinden würden. Der musste irgendwo im Industriegebiet Nord sein, in der Nähe der Bahngleise. Mit ein bisschen Glück sollte ich es danach ohne Stau bis ins Büro schaffen. Wenn nicht, konnte ich immer noch behaupten, dass ich für meine eigenen Business-Yoga-Kurse recherchierte. Und das wäre auch nur ein kleines bisschen gelogen. Wir waren ja jetzt so gut wie Kollegen, Siv und ich.
    Vorsichtig klickte ich auf Sivs Namen unter dem Foto. Nicht, dass er es noch merkte. In solchen Momenten packte mich immer ein seltsamer Aberglaube. Wer so feinfühlig war für kosmische Vibrationen, würde vielleicht sogar spüren, wenn man ihn googelte.
    Sivs Porträt füllte jetzt meinen halben Bildschirm. Darunter standen noch zwei Zeilen Text. »Mein Lebensmotto: Love has nothing to do with another person. It is a state of being. Osho.«
    Osho? War das nicht der Kerl mit den schweren Augenlidern, den man ganz früher unter dem Namen Baghwan gekannt hatte? Musste so ein Achtzigerjahre-Ding sein, alle paar Jahre seinen Namen zu ändern. Wie Prince, der sich später Symbol nannte.
    Dann erst dachte ich über den Spruch nach und war hin- und hergerissen, ob er mir gefiel oder nicht. Klang nach einem großen Herzen. Doch wer alle liebte, liebte auch keinen. Ein bisschen wahllos. Wahrscheinlich hatte Osho sich das in der Zeit ausgedacht, als er noch im indischen Ashram die freie Liebe propagierte. War ja immerhin eine elegante Art, sich nach einer schönen Nacht auf Nimmerwiedersehen zu verabschieden, falls die Frau so etwas fragte wie: Krieg ich deine Telefonnummer?

    Vielleicht musste Siv sich einfach nur mal so richtig verlieben, um den Unterschied zu merken zwischen der universellen Liebe und der speziellen.
    Am Freitagmorgen um sechs stand ich auf, zog eine fliederfarbene Baumwollhose an und knotete mir einen stilvollen Baumwollturban. Natürlich war das nur eine Notlösung. Vor drei Tagen hatte ich meine Onlinebestellung beim Namaste-Versand abgeschickt, seitdem wartete ich täglich auf das Paket mit den energieabstrahlenden Handstulpen, der chakrenstimulierenden Kopfbedeckung »Shiva« und der weißen Dreiviertelhose »The Spirit of Om«. Aber wir waren hier ja schließlich nicht bei der Formel 1, sondern beim spirituellen Klamottenversand. Und dort galten nicht die normalen Marktgesetze – je schneller, desto besser –, sondern tiefgründigere Regeln. Wahrscheinlich pendelten die Mitarbeiter dort jeden Morgen aus, welche Sendungen das Lager verlassen sollten. Und für welche die Zeit noch nicht gekommen war.
    Im Stehen würgte ich eine Tasse »Momente der Entspannung« hinunter und sehnte mich dabei nach viel Milchschaum und noch mehr Koffein. Doch wenn ich vor Siv stand, wollte ich keine dunklen Flecken auf meiner Aura haben. Nicht mal welche aus Kaffee. Dann griff ich eine Reisetasche mit Büroklamotten und machte mich auf den Weg ins Industriegebiet.
    Gegen zwanzig nach sieben hatten mein Navi und ich eine mittlere Vertrauenskrise.
    »Sie haben Ihr Ziel erreicht«, flötete die Frauenstimme nun schon seit geraumer Zeit, und es kam mir vor, als bekäme ihr langmütiger Ton langsam einen genervten Beiklang. Denn ich konnte mir einfach nicht erklären, was die Tante von mir wollte.
    Hier war nichts, außer einem Fabrikgebäude rechts, für dessen Farbe »rostbraun« eine allzu schmeichelhafte Umschreibung gewesen wäre, und einer rissigen, unkrautüberwucherten Mauer links. Dazwischen ein eilig zusammengehämmerter Lattenzaun, an dem verschiedene Konzertplakate und Partyflyer hingen. Ich wollte schon unverrichteter Dinge den Zündschlüssel drehen, da

Weitere Kostenlose Bücher