Mantramänner
fingerdicken, mayonnaiseverschmierten gelben Scheiben. Blinde Passagiere, die mich von meinem neuen Kurs abbringen wollten.
»Entschuldigung?«
Plum sah von einem Teller mit Wurst auf. In der linken Hand hielt sie eine Streubüchse Currypulver in Klinikgröße.
»Ja, stimmt was nicht?«
»Der Kartoffelsalat. Da ist Fleisch drin.«
Sie blickte auf meinen Teller, als hätte sie ihr eigenes Essen noch nie gesehen, dann schüttelte sie ungeduldig den Kopf.
»Ach komm, das bisschen! Jetzt stell dich mal nicht so an.«
Immer dasselbe. Kaum gab es was zu meckern, fing sie an, uns zu duzen.
»Außerdem isses lecker.«
Dann wandte sie sich wieder der Wurst zu, als wäre damit alles gesagt. Und ich wollte sie nicht weiter nerven. Wahrscheinlich hatte unsere berufsschwangere Pressesprecherin Plums letzten Vorrat an Geduld aufgebraucht.
Ich irrte ein bisschen planlos mit meinem Tablett umher, bis ich Anna entdeckte. Wenn ich schon nichts anderes essen durfte als Spinat, wollte ich es wenigstens in netter Gesellschaft tun. Erst als ich bereits hinter ihr stand, sah ich, dass sie Wichtigeres zu tun hatte. Direkt neben ihr saß IPS, und sie und Anna musterten konzentriert ein kleines, gewelltes Papierchen auf dem Tisch. Es sah aus wie ein Schwarz-weiß-Foto von Schafen im Nebel, handelte sich aber mit Sicherheit um das neueste Babybild. Da wollte ich natürlich nicht stören. Gehörte ja alles zur Karriereplanung.
Ich aß im Stehen, im sogenannten Bistro-Bereich, und machte dann noch einen kleinen Spaziergang. Dabei spendierte ich dem Leierkastenmann fünfzig Cent, und er spielte daraufhin etwas, das klang wie Can’t buy me love . Arme Beatles. Dann tätschelte ich dem Reinigungsmops den Kopf, der heute bedeutend frischer aussah als neulich, und blätterte am Kiosk in einer Gartenzeitschrift. Als natürlicher Typ musste man schließlich auf dem Laufenden sein, was Stauden und winterfeste Gewächse anging.
Zum Abschluss holte ich mir im Coffeeshop einen Fünf-Euro-Obstsalat, der hauptsächlich aus angebräunten Apfelstücken bestand. Wenn das so weiterging, würde ich durch Yoga erst unglaublich schlank werden, dann aber unweigerlich entweder verhungern oder pleitegehen. Oder beides. Ich versuchte, den Gedanken ganz schnell zu vertreiben. Das war schon wieder viel zu weit in die Zukunft gedacht. Außerdem hatte ich ein ganz anderes Problem, und das lag in viel näherer Zukunft.
Erst als es sich wirklich gar nicht mehr vermeiden ließ, fuhr ich wieder zurück in den siebten Stock und betrat das Büro. Vielleicht hatte ich ja Glück und Berger war in einem Meeting.
Dem war aber nicht so. Berger saß schon wieder hinter seinem Bildschirm, hob den Blick und sah mich ernst an. Er sagte nichts.
Ich sagte auch nichts.
»Frau Frank.« Immer noch ernst, beinahe feierlich. Was sollte das denn werden? War es am Ende ein Kündigungsgrund, amerikanische Management-Techniken zu erfinden?
»Herr Berger«, sagte ich. Etwas Originelleres fiel mir nicht ein.
»Frau Frank«, Berger erhob sich, ging um seinen Schreibtisch herum und legte mir die Hand auf den Oberarm, »ich glaube, wir sind da einer großen Sache auf der Spur. Einem ganz neuen Approach. Einer echten Revolution im Customer Management.«
»Bitte wie?«, stammelte ich.
»Ich habe in der Zwischenzeit ein bisschen recherchiert«, sagte er, »hochinteressante Materie. Bisher«, er kam noch näher, schob seine Sonnenbrille zurecht und blickte mir vertraulich in die Augen, »bisher, das gebe ich ehrlich zu, habe ich Yoga ja immer für eine ziemlich versponnene Angelegenheit gehalten. Etwas für instabile Frauen in den Wechseljahren.«
Er lachte meckernd. Ich lachte nicht mit. Sofort wurde er wieder ernst.
»Da war ich ja völlig auf dem falschen Dampfer! Wie ich gerade herausgefunden habe, wird Yoga ja tatsächlich in den höchsten Managementkreisen eingesetzt. Und das Beste ist überhaupt diese aktuelle Studie.« Er hing jetzt fast über mir drüber, als wollte er mich gleich küssen. »Sie-ben-und-zwan-zig Prozent«, bellte er aufgeregt, »sie-ben-und-zwan-zig Prozent Steigerung der Kundenzufriedenheit in Unternehmen, die Yoga als Teil der Firmenphilosophie implementiert haben! Und das innerhalb von vier bis sechs Monaten!«
Ich nickte wissend. »Jaja«, sagte ich, »ganz bekannte Studie, wird ja dauernd in der Fachliteratur zitiert.«
Nicht, dass ich jemals davon gehört hatte.
Endlich wich Berger wieder einen Schritt zurück und lehnte sich lässig gegen die
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