Mantramänner
es gibt doch diese Stelle im Hochzeitsversprechen, in der Kirche. Dass man da hingehen will, wo der andere hingeht. Aber da, wo sie jetzt ist, da erreiche ich sie gar nicht mehr. Und ich weiß auch nicht, ob ich da überhaupt hinwill.«
»Habt ihr denn übers Heiraten gesprochen, Melli und du?«
Ich registrierte, dass mir der Gedanke nicht mehr so unsympathisch
war wie neulich. Da war ich noch ziemlich entsetzt gewesen. Jetzt wurde mir ganz wohlig zumute bei der Vorstellung, wie Melli unter einem Schleier hervorlugte.
Erstens hatte ich wohl bisher nicht verstanden, wie nah sich Melli und Steves Seelen waren. Nur weil er in den entscheidenden Deutschstunden nicht da gewesen war und die falsche Pizza bestellte, hieß das noch nicht, dass er nicht eine Frau von ganzem Herzen lieben konnte.
Zweitens würde Melli als angehende Braut wohl nicht auch noch mit Siv durch die Betten toben.
»Ich wollte ihr einen Antrag machen«, sagte Steve und kratzte sich hingebungsvoll an der Nase. »Neulich, als ihr von eurem komischen Wochenende in Werderhorst zurückgekommen seid. Weil ich sie da so vermisst habe und mir dachte, wenn nicht jetzt, wann dann.«
»Und, warum hast du nicht?«
Er stützte sein Kinn auf zwei Daumen und dachte nach. »Irgendwie … irgendwie war das nicht mehr die Frau, die ich so vermisst habe. Da ist eine andere zurückgekommen, als hätte man sie unterwegs vertauscht. Als hätte sie so eine Mauer aus Freundlichkeit um sich herum, durch die ich gar nicht mehr durchkomme. Manchmal würde ich sie am liebsten mal wieder so richtig wütend machen. Nur um zu sehen, ob sie das überhaupt noch kann, echte Gefühle zeigen.«
»Steve«, sagte ich sanft, »das ist eben die große Aufgabe in der Liebe. Den anderen so zu begleiten, dass er seine eigenen Wege gehen darf, ihm Freiraum zu erlauben, und dennoch Inseln der Verbundenheit zu schaffen.«
Ich wunderte mich über mich selbst. Allmählich begann ich zu klingen wie Buddha persönlich.
»Evke«, Steve nahm plötzlich meine Hand, »man kann irgendwie echt wahnsinnig gut mit dir reden.«
Händchenhalten mit Steve in Barbies Bierbar. Ich hätte nicht gedacht, dass Yoga mich ausgerechnet zu Spaßbremses Verbündeter machen würde. Sah aber ganz so aus.
»Ich verrate dir mal etwas«, ich beugte mich zu Steves Ohr, bis seine widerborstigen Locken meine Lippen kitzelten, »ich glaube, du solltest sie bald fragen. Nicht, dass sie es sich noch anders überlegt.«
CHAKRASANA
Das Rad (Chakrasana) ist eine fortgeschrittene Stellung, die gleichzeitig alle Chakren öffnet und dadurch für einen mächtigen Energiefluss sorgt.
Siv und die fremde Frau umarmten sich. Und umarmten sich. Und umarmten sich. Für eine Begrüßungsumarmung auf einem Sommerfest dauerte das Ganze schon reichlich lang.
Nach einer gefühlten Ewigkeit begann ich zu zählen. Om eins, Om zwei, Om drei. Bei Om sieben begannen sie sich zu wiegen wie Teenager beim Engtanz. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn gleich die Mantrachöre aus den Lautsprechern verstummt wären, I want you back for good von Take That erklungen wäre und die beiden sich schließlich gegenseitig die Zungen in die Münder gesteckt hätten. Was fiel dieser Tante mit dem einzelnen Delfin am Ohr überhaupt ein?
Ich verdrückte mich hinter einem Tapeziertisch, auf dem große Kannen Tee und verschiedene Saftflaschen aufgebaut waren, und beobachtete die beiden heimlich weiter. Menschen in Flipflops und weiten Haremshosen schlurften durch den begrünten Innenhof hinter dem Yogastudio, tranken bunte Saftschorlen, unterhielten sich oder wippten mit geschlossenen Augen zum Mantrachor-Sound. Von den Leuten kam mir niemand bekannt vor, dafür hatte ich einige dieser Hosen schon mal gesehen. Scheinbar war ich nicht die Einzige, die beim Namaste-Versand bestellte.
Auf der anderen Seite der Wiese hatte jemand in einer gusseisernen Schale Feuer gemacht, auf einem Schild daneben stand groß
»Grillen ohne Killen!«, und lachende Gurken und Tomaten tanzten einen Reigen um die Wörter. Für eine lumpige Saftschorle und eine Grilltomate fand ich den Eintrittspreis von fünfzehn Euro recht happig. Da hätten sie schon ein bisschen mehr bieten müssen. Ich hätte wenigstens erwartet, dass ein paar gut gebaute Yogis nackig aus einer Vollwert-Brokkoli-Torte sprangen.
Apropos gut gebaute Yogis. Ich riskierte wieder einen Blick. Tatsächlich hatten sich Siv und die Delfinfrau inzwischen voneinander gelöst. Dafür standen sie jetzt auf Armlänge
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