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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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immerhin ein Anfang.
    »Haben wir uns nicht auch irgendwo schon einmal gesehen?«, fragte Shanti, und ich schüttelte rasch den Kopf. Ich wollte ungern in Sivs Gegenwart von meiner Yoga-Odyssee erzählen, die noch gar nicht so lange her war. Schließlich sollte Siv glauben, dass ich schon deutlich länger als drei Monate zum Kreis der Erleuchteten gehörte. Damit gab sich Shanti zufrieden, mir fiel aber auch keine geeignete Gegenfrage ein. Ich wusste einfach nicht, wie Small Talk mit Yogis funktionierte. Die wollten nicht über Jobs reden, ich nicht über meinen Stoffwechsel. Sollte ich Shanti vielleicht nach innerindischen Flugtarifen fragen?
    Das peinliche Schweigen dauerte allerdings nicht lange. Denn jetzt kam eine ganze Schar neuer Gäste, die alle Siv begrüßen mussten. Wieder wurde geherzt, gewiegt und an Ellenbogen gefasst, auch von Männern, wenngleich der Teil mit dem Wiegen dabei etwas kürzer ausfiel. Ich stand daneben und fühlte mich etwas überflüssig. Schließlich gab ich mich beschäftigt, irrte zwischen veganem Grill und Saftbar hin und her, trank in schneller Folge drei Mangoschorlen und studierte aufmerksam den Kursplan im Foyer. Das alles dauerte kaum länger als eine Viertelstunde. Auf einmal hatte ich große Sehnsucht nach einer Freundin.

    Ohne dass ich es wollte, fiel mir wieder das Sunny-Side-Betriebsfest ein. War das schön gewesen! Okay, der Krautsalat war gewöhnungsbedürftig gewesen – aber die Gesellschaft deutlich angenehmer. Und auch an Chris hatte ich nicht geklebt wie eine Klette, weil Anna und ein paar nette Kollegen da gewesen waren.
    Ich konnte jetzt nicht schon wieder zu Siv hingehen. Unmöglich. Kam ja nicht besonders gut an, wenn man sich an einen Typen heftete wie ein Dreijähriges am ersten Kindergartentag an Mama. Suchend blickte ich mich um nach jemandem, mit dem ich ins Gespräch kommen konnte. Vergeblich. Freundliche, offene Gesichter um mich herum – aber ich hätte nicht gewusst, was ich mit ihnen reden sollte. Bist du öfter hier? Kannst du eigentlich Kopfstand? Außerdem schienen sich alle untereinander zu kennen. Die beiden Goldbuddhas im Foyer dösten stumm, jedenfalls richtete von denen auch keiner das Wort an mich.
    Irgendwann setzte ich mich in eines der unförmigen, braunen Sitzpolster, die weiter hinten im Gras lagen. Unter meinem Po knirschte etwas, das nach Vollwertfüllung klang. Ich tippte auf Dinkel. Von fern hörte ich Autos hupen und türkische Popmusik, die erst lauter wurde und dann wieder leiser, bis sie hinter den gleichmäßigen Mantrachören verschwand.
    Etwa fünf Leute hatten begonnen, auf dem Rasen zu tanzen. Mehr hätten auch nicht Platz gehabt, denn sie brachten dabei vollen Körpereinsatz, warfen die Arme über den Kopf, sprangen hoch oder ließen sich im Knien nach hinten sinken. In der Luft roch es schwer nach Räucherstäbchen und blühendem Flieder. Ich schloss die Augen und versuchte, das Hier und Jetzt wahrzunehmen. »Wenn Gedanken kommen, dann lassen wir sie einfach weiterziehen wie Wolken« – wie oft hatte ich diesen oder ähnliche Sätze jetzt schon bei den Schlussmeditationen gehört? Doch es war schwerer als gedacht. Fast so schwer, als müsste man sich Buchstaben anschauen, ohne sie dabei zu lesen. Wenigstens, wenn man älter als sechs Jahre war.
    »Schön!«
    Was war das? Ein komischer, kleiner Gedankenfetzen in meinem Kopf, der sich nicht wegpusten ließ?

    »Schön sieht das aus, wenn du da so entspannt liegst.«
    Ich öffnete die Augen. Kein Gedankenfetzen, sondern Siv. Er ließ sich neben mir in das Sitzpolster fallen, so nah, dass die Härchen auf seinem Unterarm meinen eigenen Arm kitzelten. Dann legte er eine Hand unter seinen Kopf wie ein Kissen und blickte in den Himmel.
    Ich war verblüfft. Den ganzen Abend hatten wir kaum gesprochen, und jetzt aalte er seinen Astralkörper neben mir, als hätten wir uns gerade mindestens halb nackt auf dem Sitzsack gewälzt. Vielleicht war das aber auch nur wieder meine schmutzige Fantasie.
    »Erzähl mir von dir«, sagte er ruhig.
    »Und was genau möchtest du wissen?«
    Er zuckte leicht die Achseln, was ich mehr spüren als sehen konnte. »Was dir wichtig ist. Warum du so traurig bist.«
    »Traurig?« Ich setzte mich ruckartig auf und starrte ihn an. Das hatte mich noch keiner gefragt. Wie kam er auf so etwas? Traurig? Ich?
    »Weißt du, Evke, du bist so ein kleiner, sprudelnder Bach. Aber da gibt es auch eine große, dunkle Tiefe in dir, und ich wüsste gern, was sich darin

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