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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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voreinander und hielten sich gegenseitig mit den Händen an den Ellenbogen. Dabei blickten sie sich stumm in die Augen.
    Endlich, nach fünf weiteren Oms, ließen die beiden voneinander ab. Fast im gleichen Atemzug ließ sich die Delfinfrau mit einem kleinen Entzückensschrei in die Arme des Mannes fallen, der neben Siv getreten war. Er war klein und dick, und ich konnte bis zu meinem Beobachtungsposten hinter der Safttheke erkennen, dass er schwitzte. Wieder begann ich zu zählen. Om eins, om zwei, om – na gut. Bei ihm hielt sie sich nicht ganz so lange auf wie bei Siv. Aber das Programm war dasselbe, inklusive Wiegen und Ellenbogenhalten und Augenschauen. Von der Frau ging wohl doch keine Gefahr aus. Diese Leute umarmten sich eben gefühlvoll, genau so, wie sich Fußballkumpels mit krachenden Schulterschlägen begrüßten.
    Ich wollte jetzt auch mal.
    Lässig schlenderte ich ihn Sivs Richtung und achtete dabei auf meinen Atem. Natürlich hatte ich diesmal eine energetisch deutlich gefälligere Hose angezogen als bei unserem letzten Treffen. Dazu ein hellblaues Wickelshirt, das auf seine zurückhaltende Weise ziemlich sexy aussah. Ein durchtriebenes Luder von einem Kleidungsstück.
    Es wirkte tatsächlich. Siv blickte wie hypnotisiert auf eine Stelle etwa zwanzig Zentimeter unterhalb meines Kinns und hob erst den Kopf, als ich fast direkt vor ihm stand.
    »Evke«, sagte er und öffnete seine Arme, »was für eine Freude.«
    Während wir uns hielten, zählte ich wieder mit und versuchte, ganz passiv zu bleiben. Ich wollte wissen, wie lange er es aushielt. Dabei stellte ich fest, dass die yogische Begrüßungsumarmung noch
eine Besonderheit hatte. Sie dauerte zwar ewig, aber irgendwie war sie schlapp. Kein richtiges Festhalten, eher wie ein nasser Sack, der sich gegen einen anderen nassen Sack lehnte.
    Schön war es trotzdem. Siv roch gut, nach einer Mischung indischer Gewürze, und war auch sonst sehr appetitlich von ganz nah. Das mit dem richtigen Festhalten, das würde ich ihm schon noch zeigen.
    Ich musste an Melli denken. Scheinbar wusste sie nichts von dem Fest heute Abend. Jedenfalls hatte sie nichts davon erzählt, als wir vorhin telefoniert hatten. Dafür hatte ich auch nicht gesagt, dass Steve und ich uns getroffen hatten. Es war das erste Mal, dass Melli und ich Geheimnisse voreinander hatten. Jedenfalls was mich anging.
    Später, entschied ich, später würde ich ihr alles sagen. Wenn sie und Steve glücklich aus ihren Flitterwochen zurück waren. Oder spätestens, wenn Siv und ich dann auch das Landhaus mit dem …
    »Oh, schau mal! Das ist ja eine schöne Überraschung!«
    Siv nahm seine Hände von meinem Rücken und deutete auf etwas hinter mir. Ich drehte mich um und sah das erste bekannte Gesicht des Abends.
    »Shanti! Bist du wieder im Lande? Ich dachte, du wärst noch bei deinem Sabbatical in Rishikesh! Wie war’s denn?«
    Der blaue Turban. Die beeindruckende Hornhaut. Der kanadische Holzfällerbart. Und die Gitarre hatte er auch dabei. Es war der Typ, der bei meiner Kundalini-Probestunde in der Mitte gesessen und gesungen hatte. Shanti hieß der also. Und die beiden kannten sich.
    Die Welt war klein. Die Yogawelt noch kleiner.
    Shanti wiegte bedächtig den Kopf. »Schwer zu sagen. Ich hatte mir mehr Inspiration erwartet. Leider war Durchfall alles, was ich bekommen habe.«
    Siv nickte wissend. »Klar. Wenn so viel auf den Geist einprasselt, kann es den Körper schon in Unordnung bringen.«
    Ich stand stumm daneben und ekelte mich. Was mussten sich diese Yogis auch ständig mit ihrer Verdauung beschäftigen? Oder, noch schlimmer, in aller Öffentlichkeit darüber reden.

    »Weißt du«, fuhr Shanti fort, »ich falle immer wieder in mein altes Muster und glaube, Reisen könnte irgendetwas in mir lösen. Dabei …«
    »… nimmt man sich selbst immer mit, wohin man auch geht!«, ergänzte Siv lachend. »Ja, das Reisen, jedenfalls das physische, wird wirklich schwer überschätzt.«
    Das sollte er mal nicht meinen Chef hören lassen. Oder meine täglichen Briefpartner, die sich um die schönsten Wochen des Jahres betrogen fühlten. Immerhin waren sie wieder bei einem etwas appetitlicheren Partytalk-Thema angekommen.
    »Das hier ist übrigens Evke«, sagte Siv zu Shanti und legte mir leichthin eine Hand auf die Schulter. »Eine ganz liebe Freundin.«
    Ich war mir nicht so ganz sicher, ob ich diese Bezeichnung mochte. Aber vielleicht war ich auch zu kritisch. Ein Satz mit Freundin und lieb, das war

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