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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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unangenehmes, inneres Echo der kleinen Ameisen, die vor weniger als einer Stunde über meine Haut gekrabbelt waren. Ich öffnete die Balkontür und trug das Glas nach draußen. Dann ging ich noch mal zurück und wühlte im Schreibtisch nach meiner Zigarettenschachtel. Irgendwo mussten noch welche sein. Wenn ich schon eine Sauerei mit meiner Aura machte, dann auch so richtig. Mitten auf dem blank polierten Schwarzwaldklinik-Aschenbecher mit dem abgestoßenen Rand, der noch immer auf dem Balkontisch stand.
    Lange starrte ich auf das erleuchtete Fenster im Nebenhaus. Ein gelbes, warmes Licht war das, wie ein ruhig glimmendes Lagerfeuer, in dessen Glut man an einem schönen Herbstabend Kartoffeln in Alufolie garen konnte. So wie mein Vater es mir gezeigt hatte, als ich ein Kind war. Damals, in unserem kleinen Ferienhaus an einem winzigen See in Holstein, wo meine Eltern so häufig das Wochenende verbracht hatten. Wie lange war ich nicht mehr dort gewesen? Es musste über zehn Jahre sein. Jedenfalls nicht mehr nach der Scheidung. Ich wusste nicht einmal, ob meinem Vater das Häuschen überhaupt noch gehörte.
    Ich dachte an den rauchigen Geschmack, die bröselige Schale, das köstlich duftende Innere, und mein Mund schmeckte plötzlich salzig.
    Als das Licht im Nachbarhaus erlosch, begann ich zu weinen.

PARIPURA NAVASANA
    Das Boot (Paripura Navasana) verhilft zu Selbstbeherrschung und zur Ausgeglichenheit dessen, der nicht mehr Getriebener seiner Wünsche ist.

    Auch nach dem dritten Becher Ingwertee auf Annas Geburtstagsfeier hatte ich noch immer keinen klaren Gedanken gefasst. Das Leben war einfach zu verwirrend. Still saß ich auf dem cremefarbenen Sofa und strich mit dem Zeigefinger darauf hin und her, hinterließ glänzende Spuren in dem angerauten Bezug und streichelte sie dann wieder weg. Anna kam zwischendurch einmal kurz vorbei und nickte mir zu.
    »Das ist super, oder? Da kann man mit einem feuchten Tuch darüberstreichen, und es bleibt kein Fleck zurück. Meine Mutter hat es bestellt, über einen Shoppingkanal.«
    »Wie? Nicht bei Tchibo?«
    Anna hob bedauernd die Hände. »Ich würde ja gern«, sagte sie, »aber leider machen die keine Möbel.«
    Ich nahm noch einen Schluck Tee und fröstelte. Für diese Jahreszeit zu kalt, sagten die Meteorologen nun schon seit Tagen mit immer deutlicherem Tadel in der Stimme, aber das Wetter scherte sich nicht darum. Ende Juni und siebzehn Grad. Deshalb war auch Annas Grillparty ausgefallen, und wir drückten uns alle in ihrem Fünfunddreißig-Quadratmeter-Appartement herum. Dabei hatte jeder Gast im Durchschnitt anderthalb Quadratmeter Platz. Ich war froh, dass meine wenigstens gut gepolstert waren.
    Anna hatte es jedenfalls nicht Melli nachgemacht. Sie hatte Männer
eingeladen, und es gab Bier, Wein und selbst gemachten Caipirinha mit zerstoßenem Eis aus dem Zehn-Liter-Sack. Nur das mit dem Mitbring-Büfett hatte nicht richtig geklappt. Auf der winzigen Arbeitsplatte in der Kochnische standen drei verschiedene Platten Saté-Spieße mit Erdnusssauce, ein Nudelsalat mit Speckwürfeln, der in Mayonnaise ertrank, und zwei Mousses au Chocolat. Wenn man Siv gefragt hätte: tamas bis zum Gehtnichtmehr.
    Anna hatte sich schon seit Wochen nicht mehr in meinen YogaStunden in der Kantine blicken lassen, und ich hatte den Eindruck, dass sie das ganze Thema nicht mehr so recht interessierte. Es gab zwar auch in ihrer Wohnung einen Buddha. Aber der stand auf der Ablage über der Klospülung, in Gesellschaft einer italienischen Keramikschale mit einem penetrant nach Orangen duftenden Potpourri. Er redete nicht mit mir, und das wunderte mich nicht. Bei diesem Duft konnte selbst der gelassenste Gott Kopfschmerzen bekommen und sich in ein mürrisches Schweigen zurückziehen.
    Ich blieb unbeweglich auf meinem Sofathron sitzen und ließ mich von Gesprächen umwehen, die mir mal wieder aufs Heftigste bekannt vorkamen. Pärchen stritten darüber, wer trinken durfte und wer fahren musste, Annas ältere Schwester unterhielt sich mit einer anderen Dreißig-plus-Frau über Osteopathie. Technikspinner Tobi stand neben der Musikanlage und redete auf Annas Nachbarn ein, einen pickligen Erstsemesterstudenten, der sich dabei sichtlich unwohl fühlte.
    »Bielefeld gibt es nicht, verstehst du? Die ganze Stadt ist eine Erfindung. «
    »Aber ich bin da geboren!«, protestierte der Picklige. »Und meine Eltern wohnen immer noch da.«
    »Alles Gehirnwäsche!«, trumpfte Tobi auf. »Schau mal bei Wikipedia

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