Manuskript des Teufels
Kaiser Peter III. stand aber unter einem unglücklichen Stern. Katharina war an Ausstrahlung, Intelligenz und Beliebtheit ihrem Mann so weit überlegen, dass er schwermütig wurde, dem Wodka verfiel und schließlich vom Thron gestoßen wurde.“ Er räusperte sich, ehe er fortfuhr. „Die in der Öffentlichkeit und auch beim Militär beliebte Katharina ließ sich daraufhin zur Kaiserin krönen. Katharina die Große hatte aber auch eine andere Seite. Sie pflegte ein abwechslungsreiches und abenteuerliches Liebesleben. Sie war eine Frau von hinreißender Leidenschaft. Sie machte kein Geheimnis daraus, dass ihr Gatte nicht der Vater ihrer Kinder sei. Diesen außerehelichen Eskapaden haben wir demnach ihre Nachkommenschaft zu verdanken. Eine aus der sechsten Generation stammende Nachkommin ihres Sohnes war mit einem polnischen Fürsten verheiratet. Sein Name war Micha von Troschinski. Abschließend möchte ich Ihnen gratulieren. Liebe Frau von Troschinski, selbst nach einer Generationen-Überbrückung von über 300 Jahren entspricht Ihr Phänotypus, also Ihr Äußeres und sicherlich auch Ihr inneres Erscheinungsbild einem genetischen Ebenbild Ihrer berühmten Urahnin, Katharina der Großen. Ich bin mir absolut sicher.“
„Dieses Schreiben ist doch ein perfekter Anlass für dich, mal wieder ein Fläschchen von unserem geliebten Wässerchen zu spendieren“, forderte in ein Kollege mit unwiderstehlicher Überzeugung auf. „Und sei nicht knauserig, du kennst unseren Geschmack. Mindestens 40-prozentig, aus reinem Roggen gebrannt.“
„Oh, je“, ergänzte ein anderer. „Ich schmecke schon die feine Milde mit ein wenig pflanzlichem Aroma von der Pomeranze oder der Minze auf meiner Zunge. Am liebsten wäre uns ein Stolitschnaja oder auch ein Moskowskaja osobaja.“
„Ich weiß, russische Seele sein immer durstig“, grinste Jekatharinas Vater. „Okay, geht in Ordnung.“
20
Jekatharina von Troschinski hatte den Auftrag für ihren Auslandseinsatz gerne angenommen. Im vergangenen Jahr hatte sie sich eine knappe Woche zur Personenüberwachung anlässlich des Berlinbesuches einer Delegation des syrischen Außenministeriums in der deutschen Hauptstadt aufgehalten.
Diesmal verschlug es sie in den romantischen Westen der Republik. Sie freute sich auf die Gelegenheit, die vielbesungene Domstadt Köln und die Beethovenstadt Bonn, beide am sagenumwobenen Väterchen Rhein gelegen, näher kennen zu lernen.
Die Buchung des Zimmers und des Leihwagens war von der FSB-Zentrale vorgenommen worden, die ihr auch eine mehr als ausreichend große Geldsumme zur Verfügung gestellt hatte. Eine exakt ausgearbeitete und leicht lesbare Karte mit genauen Wegbeschreibungen und detaillierten Ortsangaben diente ihr zur Orientierung. Das Navigationssystem würde sie problemlos zur Universität in Bonn, zu Professor D’Auberts Wohnhaus und zum Kloster Mariawald führen.
Ihre wichtigste Aufgabe bestand darin, das derzeit meist ‚umworbene’ Manuskript der Welt aufzuspüren, an sich zu nehmen oder es, noch vor Ort, zu vernichten. Ferner musste sie in Erfahrung bringen, ob und wo eventuelle Kopien des Pamphlets existierten.
Die Arbeitsstrategie für diesen scheinbar harmlosen Auftrag hatte sie vor ihrem Abflug mit einigen ihr vertrauten Kolleginnen und Kollegen diskutiert. Eine alle Eventualitäten berücksichtigende Einsatzplanung war eine unabdingbare Voraussetzung für die Gestaltung des fallspezifischen Setups. Als Operationsbasis fungierte ein vornehmes zweieinhalb Zimmer Appartement im noblen Wellness-Hotel ‚Urftsee‘ in dem bezaubernden Eifelstädtchen Gemünd. In diesem beliebten Kurort, wo die beiden Flüsschen Urft und Olef zusammenfanden, lebten die Eltern der Zielperson. Das konnte sich gegebenenfalls als Vorteil heraus stellen. Außerdem betrugen die Fahr-zeiten nach Köln oder Bonn lediglich eine gute halbe Stunde und bis Hergarten, dem Wohnort des Autors, nur fünfzehn Minuten.
Nach dem Motto: ‚Ein Agent ist nur so gut wie seine Ausrüstung‘ stattete das FSB seine Agenten auf jeder Mission optimal aus. So besaß Frau von Troschinskis elegante Handtasche ein für Röntgenstrahlen nicht auslesbares Geheimfach. Darin befand sich die von Agenten bevorzugte, handliche, nur 280 Gramm schwere und aus den USA stammende Beretta 950 Jetfire. Ferner eine TASER-X-26 EMD Elektroschockpistole und ein Brillenetui, das statt einer Brille zwei kleine, verzierte metallene Pillendöschen enthielt. In einem Pillenbehälter befand sich eine
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