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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Herbst. Ich muss wieder runterkommen. Und den Schnaps muss ich mir einteilen, sonst brennt er mir ein Loch in den Kopf.
    Und sie musste so weit nüchtern bleiben, dass sie ein Wörtchen mit Magpie reden konnte, wenn er endlich nach Hause kam. Sie nahm ein Kartenspiel, das im Zeitschriftenständer lag, und mischte. Sie wollte eine Patience legen, wollte sich selbst nicht schonen. Sie gab sich gerade zum zweiten Mal, als das Haus-System mit einer Milliarde idiotischer Signale auf eine eingehende Nachricht aufmerksam machte. Die Klänge von Beethovens Fünfter, als lahme Glockentöne gespielt, die so einfältig wirkten wie das Original aufregend, umgaben White Horse und verebbten, wie um schlechte Neuigkeiten anzukündigen. Wohin immer Jude gegangen war, er musste sein Pad abgeschaltet haben, und der Anruf wurde in seine Wohnung weitergeleitet.
    Sie hörte zu, während der Anrufbeantworter die Mitteilung aufzeichnete:
    »Äh … Jude, alter Knabe. Dan Connor hier. Wahrscheinlich erinnern Sie sich nicht an mich. Ich … also, ich wohne mit Natalie zusammen. Armstrong. Es hat Ärger gegeben. Äh … die Sache ist die, wegen dieser Frau von … na ja, das spielt auch keine Rolle, von irgendeiner Behörde ist sie, und sie hat mich nach Natalie gefragt und ich … ich habe ihr vielleicht Ihren Namen gesagt, das heißt, ich hab ihn vielleicht einmal erwähnt. Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber Sie sollten wissen, dass man Ihnen deshalb vielleicht ein paar Fragen stellen und … äh … ihr geht es bald wieder gut, wirklich. Sie geht nach Hause, wissen Sie, und bleibt ein paar Tage bei ihrem Vater, ja. Sie wird Spaß haben. Ich fand, Sie sollten das erfahren. Sie wissen schon. Okay. Oh, Ihre Nummer habe ich aus dem Autologger am Sorgentelefon, aber ich lösche sie jetzt wieder. Okay. Dann tschüss.«
    White Horse blickte auf die Pik-Königin, die sie gerade aufgedeckt hatte. Wer mochte Natalie Armstrong sein, und was hatte sie mit der Sache zu tun? Und was für ein Sorgentelefon? Sie teilte sich noch drei Karten aus und drehte das Karo-Ass um. Sie spielte weiter, gab sorgsam und reihte die Farben aneinander.
    Calum Armstrong war schon auf dem Rückflug nach England. Er trank einen schwarzen Kaffee nach dem anderen und horchte auf die Änderungen der Triebwerksgeräusche und das Vibrationsecho in seinem eigenen Körper, als die Maschine hoch genug war, um die Schallmauer zu durchbrechen. Sein Händezittern wollte einfach nicht nachlassen. Immer wieder dachte er an Charlotte, seine Frau. Aus dem Grab heraus musste sie ihn nun verfluchen, weil er zugelassen hatte, dass Natalie in diesen Mist verwickelt wurde und Guskow mit seiner Überzeugungskraft die Situation an sich riss. Er wusste schon jetzt nicht mehr zu sagen, wieso dessen Argumente ihm eigentlich so zwingend erschienen waren.
    Er rieb sich die Schultern am Sitz, als versuchte er etwas abzuschaben. Nichts jedoch erlöste ihn von dem Gefühl, von Kopf bis Fuß vor Dreck zu starren. Natürlich nicht – und war es nicht interessant, dass man noch so viel von Psychologie verstehen konnte und dennoch ihr Spielzeug blieb?
    Er nahm zwei Aspirin. Gegen seine Kopfschmerzen richteten sie rein gar nichts aus, das wusste er vorher schon. Da wusste er so viel – und doch hatte nicht er Natalie retten können, sondern dieser hinterhältige Trottel mit dem geckenhaften Haarschnitt. Dan, den Natalie sosehr mochte und den Job sicherte, obwohl ihn kein Labor der Welt einstellen würde. Calum kam der Gedanke, dass ihr Urteil vielleicht gar nicht sosehr daneben gelegen hatte, und er lächelte voll Stolz.
    Mein Mädchen.
    Was habe ich getan?
    Gewiss, der Unfall war völlig unvorhersehbar gewesen. Was seine Ursache und die Ergebnisse des Selfware-Testlaufs anging - er glaubte den Berichten nicht. Unter dem Strich erbrachten sie nicht mehr als Hysterie und Augenzeugenaussagen, die viel zu verworren waren, als dass man ihnen etwas Sinnvolles entnehmen konnte. Menschen lösten sich nicht einfach in Luft auf. Jede Erklärung, die so etwas besagte, war reines Wunschdenken.
    Armstrong stellte die Kaffeetasse auf den Unterteller und packte die Armstützen seines Sitzes so fest, dass er die Streben unter dem weichen Polster spürte.
    Menschen verschwanden nicht. Das war eine Tatsache.
    Natalie würde nicht verschwinden.
    Oder?

 
11
     
     
    Jude ging die neun Blocks von der Bar bis nach Hause zu Fuß und versuchte dabei, die feuchte Spätabendluft der Stadt nicht allzu tief einzuatmen.

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