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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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haben, mir gegenüber zu schweigen …«
    »Nein«, unterbrach sie ihn. Sie deckte einen Buben und zwei Zehnen auf. »Ich soll dir von ihnen ausrichten, dass du mit deinen Untersuchungen weitermachen sollst. Sie sagten, wenn ich das nicht tue, würden wir den Prozess um Beer Ridge verlieren.« White Horse hatte ihren kühlen Blick wieder. Sie war mit dem Geben fertig und schob den Kartenstapel in ihren Händen zusammen. »Können sie das wirklich?«
    Judes Gedanken überschlugen sich. Er begriff die Zusammenhänge nicht. »Du meinst, ob sie die Entscheidung des Richters beeinflussen können?«
    White Horse nickte und begann ein neue Runde. Sie wartete auf seine Antwort und bewegte die Karten mit der Präzision eines Metronoms.
    »Ich schätze, damit wollen sie sagen, wer sie sind – falls sie es können. Falls sie es aber nicht können, warum sollten sie es behaupten? Glaubst du ihnen?«
    Sie nickte, ohne den Kopf zu heben.
    »Scheiße.« Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Mh-hmm.« Sie zog eine Neun und wieder einen Buben. »Sie wollen, dass ich möglichst viel Material für den Prozess sammle, wie ich es geplant hatte. Mir einen bekannten Anwalt suche. Vor Gericht gehe. Demonstrationen inszeniere. Die Indianerbewegung mit einbeziehe.«
    Jude kam sich vor, als hätte man ihm den Verstand aus dem Hirn geblasen. Er konnte nicht denken. Er hatte schon genug getrunken, aber er wollte noch mehr. Doch statt sich einen Drink zu holen, lehnte er sich ans Sofa und schloss fest die Augen, lauschte der aufdringlichen Trommelmusik, die White Horse aufgelegt hatte und dem Schnipp, Schnipp der Karten.
    Deer Ridge. Die Ölbohrungen. Der Mindware-Test. Die Drohung, aus dem Reservat vertrieben zu werden. White Horses Entführung nach Fort Detrick. Wie fügte sich das alles zusammen?
    Die Frage der Erschließung zur Öl- und Kohleförderung wurde nun schon zwei Jahre behandelt. Nachdem es in Indien und den Nationen des Afrikanischen Bundes zu einem Boom gekommen war, in dessen Folge sie zu fantastischen Preisen gewaltige Gütermengen importiert hatten – Nahrung für ihre Industrie und ihre Motoren –, schwanden die heimischen Reserven allmählich, und die Suche nach neuen Rohstoffquellen wurde immer wichtiger. Nachdem die Regierung das eigene Land erschöpft hatte, war ein Gesetz verabschiedet worden, das Suche und Entwicklung auch auf privatem Grund und Boden gestattete.
    Jeder Unternehmer konnte beim Bezirksgericht vorstellig werden, eine Sucherlaubnis für ein begrenztes Gebiet beantragen und mit Tests beginnen. Wessen Besitz dadurch betroffen wurde, musste entschädigt werden, und wenn die Suche erfolgreich war, belohnte man die Kooperation mit jeder weitergehenden Schürfung durch hohe Geldzahlungen und beträchtliche Anteile in der eigenen »Mikro-AG«, einer Tochtergesellschaft des Antragstellers. Die meisten Leute waren froh, wenn sie auf diese Weise über Nacht zu Millionären wurden. Wer Einwände hatte, konnte Berufung einlegen. Wessen Berufung abgewiesen wurde, musste das Land verlassen und wurde mit dem Marktwert des Grundbesitzes und der darauf stehenden Häuser entschädigt.
    Deer Ridge setzte sich gegen die Suchbemühungen von Thomson Cushener zur Wehr, einem großen Konsortium, das im Reservat einige kleine Ölquellen und andere Bodenschätze entdeckt hatte. Die Bewohner des Reservats hatten nun Berufung eingereicht. Dank White Horses energischen Bemühungen wollte niemand, der noch auf dem Land wohnte, sein Haus verlassen, ganz gleich, wie attraktiv der gebotene Preis war. Sie wussten, dass ihr Land für immer Teil der USA werden würde, wenn sie nachgaben – und das konnten sie nicht ertragen.
    Deer Ridges Berufungsprozess war im Augenblick vertagt, bis gewisse Untersuchungen der »Funde« von Thomson Cushener abgeschlossen waren, doch in ein bis zwei Monaten sollte die Verhandlung wieder aufgenommen werden. Die Ölpreise der arabischen Lieferanten waren momentan nicht allzu schlecht, deshalb schien es unwahrscheinlich, dass sie verloren; anderen ging es schon erheblich schlechter. Jude hatte es als gesichert angenommen, dass das Berufungsgericht im Sinne seines Volkes entscheiden würde. In Anbetracht des politischen Gegenwinds, der entstehen würde, weil sehr viele Wähler hinter der Sache der Indianer standen, hatte er es für unmöglich gehalten, dass die Berufung abgewiesen wurde. Ganz gewiss hatte er den Prozess bislang nicht mit dem bizarren »Test« einer

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