Mappa Mundi
Begleittextes machte das wiederum unwahrscheinlich, es sei denn, Bill hätte ihn verfasst, doch was Bills Sinn für Humor anging, gab sich Guskow keinen Illusionen hin. Der Mann hatte gegen lumpige zwei Millionen eingewilligt, dazu eine prächtige Datscha, eine neue Identität und eine Versorgung mit jungen Mädchen aus jeder dubiosen Quelle, die seinen alten Kollegen in Russland zur Verfügung stand. Solch ein Preis drückte lediglich die außerordentliche Mittelmäßigkeit der Wünsche aus, die ein menschliches Wesen besaß, welches sich durch sein Angebot verlocken ließ. Wenn es sich beim Bericht trotzdem um eine Fälschung handelte, dann um eine köstliche.
Immer wieder hatte Guskow die Aufzeichnungen abgespielt und sich angesehen, wie der geheimnisvolle Patient X zu verschwinden schien. Er hatte eine Art Halbton-Version von X’ Körper sich durch die Stelle bewegen sehen, an der Doktor Armstrongs materieller Körper stand. Doch im Film konnte man alle denkbaren Unmöglichkeiten sehen, und im Leben auch: Das Gehirn war ein wunderbarer Dolmetscher, und Guskow hatte schon vor langem gelernt, ihm nicht zu vertrauen. In diesem Fall stammte der überzeugende Faktor aus dem Datenoutput des NervePath-Scanners; zuerst, wo das Gerät Patient X erfasste, und später, als es sich von Dr. Armstrong persönlich Informationen holte.
Die Europäer hatten am Ende zwar doch das System stillgelegt, mit dem sie infiziert worden war, aber er freute sich schon sehr darauf, ihnen die Hölle heiß zu machen, sollten sie sich noch einmal über seine Anweisungen hinwegsetzen. Patient X als Versuchsobjekt zu benutzen war eine Sache – gewiss ein Verlust für seine Familie, für die Menschheit als Ganzes jedoch kaum –, aber es war etwas ganz anderes, ein Talent wie Dr. Armstrong zu vergeuden, nur um Daten zu erhalten. Wenn der Schein nicht trog, gab es auf der ganzen Erde keinen Menschen, der potenziell nützlicher gewesen wäre als Natalie Armstrong. Ihr Name stand bereits auf der Liste, die er an Delaney geschickt hatte. Er wollte sicherstellen, dass Dr. Armstrong als Mitarbeiterin und nicht als Studienobjekt in die Abgeschottete Anlange kam. Zu diesem Zweck hatte Calum Armstrong bereits einen unschätzbaren Beitrag geliefert, indem er die Ministerialbehörden überzeugte, sie in seine Obhut zu geben, statt sie zu verhaften.
Am kommenden Tag wollte Guskow sich eingehender mit den Daten befassen, die man vom Patienten X gewonnen hatte. Sie schienen zu belegen, dass sich die Fähigkeit des Selfware-Systems, zur Erzielung maximaler Effizienz alle bedeutsamen Informationswege umzuleiten, den INFINITY-Befehl sehr zu Herzen genommen hatte. Wie alle Mindware, verließ sich auch Selfware zur Informationsbeschaffung auf die eingebauten Überwachungsfunktionen von NervePath. Diese Monitore erhielten ihre Daten von den Output-Signalen, die die elektrochemischen Eigenschaften der Umgebung einzelner NP-Maschinen weitergaben, und von den NP-Cluster-Wizards, die »offline« zwischen den Nervenzellen saßen und Informationen aus kleinen, räumlich eng begrenzten Gebieten für die Übermittlung nach außerhalb des Wirtes vorbereiteten.
Wenn er es richtig sah, bestand der entscheidende Unterschied von Selfware zu anderer Mindware darin, auf welche Weise Selfware mit den NP-Programmen kommunizierte, um Prüfvorgänge zwischen lokalen und entfernten Verbindungspunkten ersuchte und dann Operationen an Bahnen und Mustern erlaubte. Weil dazu gelegentlich erforderlich war, dass die NP sich einer nanitischen Replikation unterzogen, wie sie das System beim Eindringen in den Wirt und der Sättigung seines Nervensystems bereits ausgeführt hatte, konnte es die relativ geringen Auflösungsveränderungen bestimmen, die den NP erlaubten, ihre eigene Empfänglichkeit an die der anderen Körperzellen anzupassen; dadurch wurden ihre Kommunikationswege für Selfware benutzbar. Aus diesem Grunde glaubte Guskow, Selfware habe sich nicht nur nachträglich ins Zentrale Nervensystem eingebracht, sondern in jede Körperzelle, die sie dann in neurale Komponenten umwandelte, indem sie NervePath in die gesamte somatische Ökologie verbreitete.
Guskow vermutete, dass der Zwischenfall durch eine gewisse terminologische Unklarheit irgendwo in den NP-Programmen, was genau »neurale Kommunikation« nun sei, heraufbeschworen worden war. Diese Unschärfe hatte der Selfware gestattet, erheblich weiter um sich zu greifen als von Armstrong wahrscheinlich beabsichtigt. Nachdem
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