Mappa Mundi
bringen.« Sie stellte sich vor seine Pinnwand und blickte auf seine riesige Ansammlung von Fotografien, Bildern und Schautafeln. »Zu Ihrem eigenen Besten kann ich es nicht länger dulden, und schon gar nicht kann ich dafür zahlen. Ich kann Sie nicht herausfischen, wenn Sie in Schwierigkeiten geraten. Hören Sie, was ich sage?« Der Blick, den sie ihm aus ihren tiefbraunen Augen zuwarf, war hart wie Stein. Dann wurde sie weicher.
»Ich schätze, Ihre Schwester hängt mit drin. Aber denken Sie erst nach, Jude. Seien Sie vorsichtig. Ziehen Sie uns nicht mit hinein. Entweder Kopfsprung oder gar nichts.«
Er nickte.
Sie wies auf einen bunten Bogen Papier. »Was ist denn das?«
»Ein Scan von Martha Johnsons Gehirn«, sagte er. »Die Ladenbesitzerin, die White Horse das Haus über dem Kopf angezündet hat.«
Perez grinste und schnipste die Ecke mit ihrem mohnroten Fingernagel an. Dann wandte sie sich mit einem ironischen, traurigen Lächeln Jude zu. »Ich wollte schon sagen, wie hübsch.« Sie musterte seine Miene. »Sie werden sich nicht für immer so mies fühlen. Sie machen eine gefährliche Zeit durch.«
Sie machte ihm nichts vor, das wusste er. Drei Jahre zuvor war ihr Ehemann als Unbeteiligter bei einer Bandenschießerei zu Tode gekommen, als er auf dem Weg zum Postamt war. Seither hatte sie großen Zorn mit sich herumgetragen, doch ihr Zorn war milder geworden und hatte sich zugleich zu der störrischen Weigerung gehärtet, jemals aufzugeben.
»Halten Sie mich auf dem Laufenden, Jude«, befahl sie ihm. »Aber sehen Sie zu, dass Sie hier herauskommen. Gehen Sie und beschäftigen Sie sich eine Weile mit etwas anderem.«
»Ich kläre nur ein paar Dinge«, versicherte er ihr. »Morgen fahre ich mit Mary nach Dugway, und dann nehme ich mir vielleicht ein paar freie Tage und fahre nach Hause. Nach Montana, meine ich. Nach Deer Ridge.«
»Kann sie mit? Sie sollten nicht alleine sein.«
»Ich komme zurecht«, entgegnete er. »Ich fahre lieber allein.«
»Sie war in Florida auf sich gestellt, als wir das Labor aushoben«, sagte Perez, ohne dass sich ihr Tonfall änderte. »Richtig?«
»Ja.«
»Ja?«
»Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Nein – ja«, sagte sie und zuckte die Schultern. »Nein. Sie haben Ihre Berichte unterschrieben. Haben Sie sie auch gelesen?«
»Ja.«
»Wussten Sie, dass Tetsuo Yamamoto für Gentrex Labs gearbeitet hat, bevor er zu den CDC kam?«
Judes Verstand setzte aus und kam dann recht holprig wieder in Gang. Gentrex war eine kleine Firma, die in großem Maßstab sequenzierte, ein Zuarbeiter für die größeren Unternehmen. Für Iwanow hatte sie als kleine Nebenbeschäftigung die DNA von Spitzensportlern verglichen und bewertet, um potenzielle Goldminen zu finden, die man gewinnbringend zu Basketballprofis trainieren konnte. Die DNA-Proben stammten aus beinahe wahllosen Erhebungen unter den armen und benachteiligten Einwohnern Asiens und den ehemaligen Bürgern der Sowjetrepubliken. Bei dem Unternehmen ging es nur um Geld, die wissenschaftlichen Anforderungen waren eher banal gewesen, doch einige Clubs hatten Millionen Dollar für die Informationen gezahlt.
»Das wusste ich nicht«, sagte er. Tetsuo hatte für Iwanow gearbeitet? Dann stand es beinahe fest, dass Tetsuo gewusst hatte, was er tat, als er Jude die Ampulle zuspielen wollte – ein neuer Schwarzhandel, den Iwanow/Guskow aufgezogen hatte. Etwas, das mit seinen Verbindungen zur Mafia zusammenhing, nicht mit der legalen Seite seiner Geschäfte. Doch das eine lag ohnehin nie sehr weit vom anderen entfernt.
Jude nickte langsam, während er die Neuigkeit einsickern ließ.
»Okay«, sagte Perez. »Okay. Gehen Sie sich jetzt ausruhen.«
Er sah ihr nach, als sie ging, und lehnte sich in seinen Stuhl zurück, während er darüber nachsann, was sie über Mary gesagt hatte. Stimmte etwas nicht in den Berichten? Er hatte sie gelesen, so weit hatte er die Wahrheit gesagt, aber er erinnerte sich an keine Details; er war schon zu sehr mit Mappa Mundi beschäftigt gewesen.
Eine vertraute Hand klopfte an die Tür und schob sie ganz auf.
Mary steckte lächelnd den Kopf in sein Büro. »Tag«, sagte sie, trat ein und kam um seinen Schreibtisch. Sie beugte sich nieder und nahm ihn in die Arme. »Hallo. Habe dich ja eine Ewigkeit nicht gesehen.«
Er erwiderte ihre Umarmung und spürte, wie steif sie war, spröde und angespannt. Sie erhob sich und lehnte sich an die Schreibtischkante, die Arme fest verschränkt, die Hände in die
Weitere Kostenlose Bücher