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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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wollte. Ohne einen konkreten Anlass zu besitzen, ahnte sie, dass er ihr bei dem, was bevorstand, noch wertvoll sein konnte; und wäre es nicht nett, ihn auf diese Weise zu benutzen? Sie machte ein finsteres Gesicht und steckte das Kinn in den Kragen.
    Nach der Einweisung und der Feststellung ihrer Ankunft wurden Natalie und Guskow zu einem geschlossenen Fahrzeug geführt, und erneut ging es auf die Reise. Sie hätte nicht einmal erfahren, wo die Abgeschottete Anlage sich befand, wäre der Fahrer nicht sehr redselig gewesen. Er kannte den Weg genau und beschrieb während der Fahrt lebhaft das Panorama. Natalie kannte die Orte aus der Tourismuskolumne, die ihre Mutter einmal für ein Hochglanzmagazin geschrieben hatte, indem sie vorgab, als glamouröses Großstadtmädchen durch die Sehenswürdigkeiten der nordamerikanischen Territorien zu reisen.
    Sie fuhren auf dem Skyline Drive nach Virginia. Die Straße folgte dem Rücken der Appalachen und erreichte schließlich eine kleine Ortschaft, die aus nicht mehr als ein paar Häusern, einem Imbisslokal und einer Tankstelle bestand. Sie hieß Stone Spring und besaß einige mäßig interessante Höhlen, die sich nicht mit dem viel ausgedehnteren System in Luray nur einige Meilen weiter vergleichen ließen. Die Höhlen Stone Springs jedoch hatte das Pentagon insgeheim gekauft und nutzte sie für militärische Zwecke, ohne dass die Ansässigen sich dessen bewusst gewesen wären. Während Mount Cheyenne entwickelt wurde, war es eine untergeordnete Anlage gewesen, die man bis vor einer Weile Staub hatte ansetzen lassen, dann aber machten die Pläne des Pentagons die Errichtung weiterer Forschungszentren mit BSL 4 notwendig.
    Der Lkw parkte in der Auffahrt des Hauses auf Parzelle Nr. 22, und alle stiegen aus. Das Haus stand weit von der Straße entfernt, getrennt durch einen gewundenen Streifen gestampfter Erde voller Schlaglöcher, der sich für Natalies schmerzendes Rückgrat anfühlte, als ertrinke er bei jedem stärkeren Regen in Schlamm. Der Nachmittag ging in den frühen Abend über, und um das aus grau gestrichenen Brettern zusammengestoppelte Gebäude standen alte Bäume und dichte Büsche, die das Tageslicht fast gänzlich aussperrten. Insekten summten in der warmen Luft, und eine tiefe Stille lag über dem Ort, als wäre er weit von der Zivilisation entfernt, obwohl man nur ein kurzes Stück fahren musste, um mehrere beliebte Ferienhotels zu erreichen.
    Natalie tat es Leid, dass sie nicht in dem Haus bleiben konnte – ein wenig Ruhe und Abgeschiedenheit wären ihr sehr recht gewesen –, doch Guskow führte sie zu der Garage, und dort verschwand jede Vorspiegelung von Normalität und dem alten Amerika.
    Der Aufzug wartete am oberen Ende des in den Boden geschnittenen Schachts auf sie. Guskow und Natalie traten in die Kabine, und die Begleiter salutierten, als die Tür sich schloss.
    Er wandte sich ihr zu. »Ich entschuldige mich für die anstrengende Reise. Aber wir waren alle sehr erstaunt über Ihren … Umweg.«
    Natalie zog die Brauen hoch. Sollten sie doch erstaunt sein. Es ging sie nichts an.
    »Jetzt bin ich hier«, entgegnete sie. »Das allein zählt.«
    Die Aufzugkabine trug sie mehr als dreißig Meter tief in die Vorkammer, und wortlos passierten sie das Luftschleusensystem. Ein weiterer Lift brachte sie noch tiefer in den Fels und fuhr dann seitwärts bis an einen Punkt, der Natalies Schätzung zufolge etwa eine Viertelmeile nördlich der Ortschaft über ihnen lag. Die unterirdische Schanze eignete sich kaum für Spaziergänge. Ein Stromausfall, und sie saßen unentrinnbar in der Falle. Sie versuchte, dies zu verdrängen und nicht allzu sehr darüber nachzudenken, dass sie vielleicht nie wieder in der Sonne stehen würde, doch es fiel ihr schwer. Sie konzentrierte sich stattdessen auf Guskow und stellte fest, dass er sich um sie sorgte, und zwar nicht in rein wissenschaftlichen, selbstsüchtigen Bahnen.
    »Sie haben meine Nachrichten gelesen?«, fragte er schließlich, als hätte sie ihn durch ihre Aufmerksamkeit dazu aufgefordert. Vielleicht war es so: Sie musste dem, was sich hier abspielte, auf den Grund gehen.
    »Ja, vielen Dank«, antwortete sie höflich. »Die Freiheit des Geistes. Ich habe sie gelesen. Ist jeder hier einer Meinung mit Ihnen?«
    »Nein. Einige sind unter Zwang hier. Das bedaure ich, doch manchmal muss man Zwang anwenden, um etwas zu vollbringen.«
    »Und da denke ich, das Wohlergehen des Menschen läge ihnen sosehr am Herzen«,

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