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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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unter dem Beifahrersitz. Er hatte Jenny Black Eagle eine Nachricht geschickt, was sie tun sollte, wenn es so weit war. Seiner Meinung nach würden sie damit zwar niemals an die Öffentlichkeit gehen oder vor Gericht ziehen, doch wenigstens hatte White Horses Fall endlich eine Anhörung erfahren. Der Wagen, ihr neues Fahrzeug für die nächste Welt, war das Letzte, worum er sich zu kümmern hatte, und als das Auto um die Ecke bog und sich in den Verkehr nach Norden einfädelte, empfand Jude zum ersten Mal seit Wochen ein Gefühl von Leichtigkeit.
    Er kehrte nicht auf direktem Weg zurück, sondern spazierte durch die vertrauten Straßen und überlegte, was ihn wohl erwartete. Die Papiere durften mittlerweile eingereicht sein, und wenn er sich in Mary nicht sehr täuschte, hatte er bald mit einem Besuch zu rechnen.
    Tatsächlich hielt eine halbe Stunde später, als er auf dem Rückweg war, ein schwarz-grauer BMW neben ihm am Straßenrand. Mary ließ das verdunkelte elektrische Fenster auf der Beifahrerseite herunter. Sie trug ihre Sonnenbrille, und ihr Gesicht verriet mit keinem Zeichen, ob sie überrascht war oder wütend.
    »Steig ein«, sagte sie.
    Jude blickte die Straße entlang bis zu seiner Wohnung. Nein, dort gab es nichts mehr, was den Rückweg wert gewesen wäre. Er öffnete die Tür und nahm im weichen Ledersitz Platz. Marys Hände lagen auf dem Lenkrad, und er sah, dass sie zwei Finger verbunden hatte.
    Beide starrten sie durch die Windschutzscheibe. Er spürte, dass sie nach den richtigen Worten suchte, sie aber nicht fand. Er hatte ihr auch nichts zu sagen.
    Am Ende fuhr sie los. Er war nicht überrascht, als sie die Arlington Memorial Bridge überquerten und dann auf eine Straße bogen, die stadtauswärts nach Süden führte.
    »Dann hast du wohl den Dienst quittiert«, sagte er nach einer Weile.
    Sie drehte nicht den Kopf. »Du auch, nehme ich an.«
    Danach schwiegen sie. Die Straße führte über den Kamm der Appalachen nach Virginia. Als der Abend hereinbrach, überquerten sie die Grenze eines Nationalparks, bogen vom Skyline Drive ab und überfuhren zwei Durchfahrt-verboten-Schilder. Dann hielt Mary an. Nachdem sie ohne Pause gefahren war, stützte sie nun die Stirn aufs Lenkrad, als der Motor verstummt war. Sie waren in einer kleinen Siedlung, und Jude glaubte, auf einem Schild deren Namen gelesen zu haben: Stone Spring. Der Name sagte ihm nichts. Der Wagen stand vor einem Automatenwaschsalon an der Straße, dem Spring Laundromat. Der Bake’n’Bagel links davon war schon geschlossen. Ein streunender Hund mit struppigem Fell hielt ein Auge auf den Wagen gerichtet, lief schnüffelnd an den Ladenfassaden vorüber und verschwand an der Ecke in einem Unkrautgestrüpp. Der Ort wirkte unbewohnt.
    »Wo sind wir hier?«, fragte er.
    »Am Ende der Straße.« Sie zog ihre Pistole, überprüfte das Magazin, steckte sie zurück und nickte ihm zu. »Steig aus.«
    Er besaß zwar auch eine Waffe, trug sie aber nicht bei sich. Sie lag im Wandsafe seiner Wohnung. Er gehorchte.
    Das Geräusch der zuschlagenden Autotüren dröhnte überlaut in der Stille. Abgesehen von der Straße sah er nur einige Wege, die von ihr abzweigten und vielleicht zu noch abgelegeneren Grundstücken im Wald führten. Vogelgesang und summende Insekten verliehen dem frühen Abend eine Atmosphäre von Verschlafenheit. Allmählich versank die Sonne hinter den Bäumen.
    Mary führte ihn über die Straße und die Stufen eines großen, grau verschalten Hauses mit weißen Fensterrahmen hinauf. Es hatte ein Türmchen an der Ecke, die der Straße zugewandt war. Als sie an die Tür klopfte, öffnete ein Mann in Heeresuniform. Im Eingang war es allerdings so dunkel, dass Jude die Abzeichen nicht klar erkennen konnte.
    Mary wandte sich ihm zu, kaum dass hinter ihnen die Tür ins Schloss gefallen war.
    »Du bleibst vorerst hier.«
    Jude blickte sich um. Vom Posten an der Tür abgesehen gab es kein Lebenszeichen.
    »Der Posten ist immer hier. Das Haus hat automatisierte Schlösser und Überwachungsanlagen. Wenn du versuchst, es zu verlassen, wird ohne Warnung geschossen.« Sie winkte dem Wärter, und der Mann öffnete ihr erneut die Vordertür.
    Mary streckte die Hand aus. »Gib mir dein Pad.«
    Er gehorchte, und sie steckte es in die Innentasche ihres Jacketts.
    Als Jude sah, dass Mary gehen wollte, fragte er: »Worauf warte ich hier?«
    Mary blieb nicht stehen, sondern blickte nur über die Schulter und erwiderte, ohne ihm in die Augen zu sehen: »Stell

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