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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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keine Fragen, dann wirst du nicht enttäuscht.«
    Sie war halb durch die Tür, als sie bitter hinzufügte: »Du hast wirklich Nerven, so zu tun, als wärst du es, der Grund zur Klage hat.«
    Sie blieb nicht stehen.
    Der Wärter schloss die Tür.
    Im Haus war es sehr still.
     
    Mary saß im Auto, das Gesicht in den Händen. Sie atmete durch die Finger und versuchte, tief Luft zu holen, doch bis weit nach Einbruch der Dunkelheit brachte sie nichts zustande außer Keuchen und hatte das Gefühl, zu ertrinken.

 
24
     
     
    Natalie saß an ihrem Schreibtisch und starrte ins Leere. Drei Wochen war sie nun schon hier. Mit Hilfe von Ians Daten hatte das Team die bedenklichen Lücken im Programm füllen können. Abgesehen von der Aufgabe, die Guskow ihr gesetzt hatte, war Natalie ohne Beschäftigung, doch sie hatte über einige Dinge nachgedacht seit jenem Abend, als sie in einem fehlgeleiteten Moment des emotionalen Zusammenbruchs tatsächlich Mitleid empfand für den gerissenen alten Ziegenbock/idealistischen alten Narren (je nach Stimmungslage Nichtzutreffendes streichen). Sie hatte versucht, sich ein Programm auszudenken, das sie als Mappaware schreiben konnte und das jedem Menschen nutzte, niemandem schadete und feindselig motivierte Eingriffe in Zukunft verhinderte. Offenbar hatte das Schlechte viele Definitionen, die davon abhingen, von welchem Ende man sie betrachtete, und viele Ursachen – vielleicht unendlich viele.
    Sie starrte ins Leere, weil es nichts anzusehen gab und sie sich nicht sicher war, wie lange sie schon an ihrem Platz saß. Hin und wieder kam sie einen Schritt voran und machte sich Notizen. Wenn sie feststeckte, saß sie nur da und tat nichts. Am Ende stieg die Lösung immer von selbst an die Oberfläche und wurde zu einem Gedanken; Natalie interessierte es nicht, woher er stammte.
    Sobald Mappa Mundi ausgeliefert war, würden die USA und Europa sich wohl für einen raschen Präventivschlag entscheiden. Mit einem Atomkrieg war das nicht zu vergleichen; niemand würde sterben. Aus dem gemeinsamen Blickwinkel der Regierung und der Sicherheitsdienste verbesserte sich alles sogar außerordentlich. Menschenrechte und die Unantastbarkeit der individuellen Persönlichkeit gelangten nicht mit in die Rechnung, weil die Regierungen sich wahrscheinlich schon längst eingeredet hatten, ihnen stehe nun das ultimative Mittel zur Verfügung, alle Kriege zu beenden und die Welt in ein Utopia zu verwandeln.
    Natalie war sich im Klaren, dass ganz gleich, welches Programm sie oder die Regierung schrieb, genau das nicht geschehen würde. Dennoch hatte sie den Gedanken noch nicht völlig aufgegeben, eine Möglichkeit zu finden, eine permanente Verschiebung im Global Common Cube zu bewirken, welcher einen überraschend kleinen Ausschnitt des Gesamt-Cube bildete. Und wenn ihr nicht rechtzeitig etwas einfiel, konnte sie noch immer MUV oder NervePath mit einem Immunisierungsprogramm in Deliverance einführen. Damit würde sie wenigstens einigen Leuten helfen, bis die Technik abgelöst wurde.
    Ihre einzigartige Macht hatte sie nicht vergessen. Wenn sie wollte, konnte sie etwas dermaßen Vernichtendes schreiben, dass mit Sicherheit noch in einer Million Jahren niemand begriffen hätte, was geschehen war. Theoretisch hatte sie alle und jeden in ihrer Gewalt. Sie wusste, dass selbst dann, wenn diese Idee für sie keinen Reiz besaß, schon eine Tür weiter genügend Leute saßen, denen sie vielleicht sehr gut gefiel und ihr dafür ein Leben in Sicherheit, Luxus und Frieden anboten. Folglich würde sie von nun an niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen verraten.
    In letzter Zeit, nachdem sie Tage mit dem Herumhacken an der Selfware vergeudet hatte, fand sie immer mehr zur Spieltheorie. Ihre Analyse des menschlichen Verhaltens hatte hinreichende Komplexität erlangt, um die verwickelten und langfristigen Details menschlicher sozialer Ziele und Planung nachzustellen, und Natalie glaubte, unter Benutzung von Khans Memetischer Analysis am Ende doch etwas gefunden zu haben, das aussah, als könnte es nützlich sein. Dabei handelte es sich um ein Programm, das dem Bewusstsein des Wirts einen strategischen Trend auferlegte, den sie nach seiner Funktion in allen Streitfällen benannt hatte: Harmonischer Kompromiss Bevorzugt.
    Kropotkin, Guskow und ihr Vater beschäftigten sich mit dem Schreiben anderer Systeme, das wusste Natalie – sie hielten dabei ihre Informationen so lange zurück, wie sie konnten, damit der andere nicht die

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