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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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was übrig blieb, verwendeten sie darauf, die einzelnen Spuren der Guskow-Fälle zu ordnen. Jude hatte nicht um die Rückgabe des Dossiers gebeten, und darum nahm sie an, dass er es kopiert hatte, aber sie konnte es nicht finden, als sie seine Pad-Datenbanken durchsuchte. Jude konnte sie jedoch mühelos woanders versteckt haben. Nicht umsonst arbeiteten sie für Special Sciences. Und von gelegentlichen scherzhaften, von Verlegenheit geprägten Verweisen auf jenen Abend behandelte er sie fast so wie früher.
    Während Dans Leichnam obduziert wurde und Mary auf den Befund des Leichenbeschauers wartete, hatte sie den Aktendeckel scannen und auf Fingerabdrücke untersuchen lassen. Als diese Ergebnisse eintrafen, sagte sie alle Termine ab und schloss sich in ihr Hotelzimmer ein, um in Ruhe nachzudenken.
    Auf dem Aktendeckel wimmelte es von Spuren Natalie Armstrongs. Auf der Rückseite hatte sie sogar herumgekritzelt und einen riesigen Bleistiftkringel um das Datum gezogen, an dem das Dossier aus Dix’ Aktenschrank im Pentagon verschwunden war (der verschlossen und gesichert gewesen war – keine feststellbaren Spuren usw.).
    An der Leiche fanden sich Spuren fremder DNA – sie stammten von keinem ihrer Leute, der Besitzer war bislang nicht identifiziert. In der amerikanischen Gendatenbank nicht verzeichnet – Ausländer. Männlich, weiß, etwa fünfzig, blaue Augen, durchschnittlicher IQ, Zellkerne, die NervePath inkorporiert hatten. Sie wusste zwar nicht, wer das war, aber sie konnte raten.
    Von Sequoia, dem Net-Agenten von Special Sciences, lud sie sich alles, was das britische Verteidigungsministerium über Patient X hatte. Aber danach war sie auch nicht schlauer. Guskow hatte Natalie nun in der Hand, und Natalie war vielleicht mehr als ein Gehirn mit Beinen. Mary wusste nicht, was sie von all dem halten sollte. Vor allem aber wusste sie nicht, was sie deswegen unternehmen sollte. Mappa war ihr Projekt, und sie wollte es sich nicht von ihm mit solch aberwitzigem Mist im letzten Augenblick vor der Nase wegschnappen lassen.
    Am Donnerstag suchte Mary wegen ihres regelmäßigen wöchentlichen Treffens Dix auf. Ihr Innerstes erstarrte zu kaltem Stein, als sie hörte, dass die Rechtsvertreter der Regierung wegen einer Zivilklage zu einer offiziellen Anhörung geladen worden seien: Die Northern Cheyenne Nation und die Bewohner von Deer Ridge, Montana, verklagten die US-Regierung wegen Personenschäden auf Schadenersatz in einer Höhe von insgesamt zehn Milliarden Dollar.
    »Das werden Sie natürlich anfechten …«, begann Mary. Sie konnte den Blick nicht von Rebecca Dix’ grimmigem Gesicht nehmen.
    »Außergerichtlich vergleichen werden wir uns«, entgegnete Dix fast tonlos. »Zehn MRD. Bedingung ist natürlich keine Presse. Das werden sie annehmen. Zum Teufel, das ist mehr, als sie alle zusammen in zwei Leben verdienen könnten.«
    »Sie haben ihnen zehn Milliarden Dollar angeboten?« Marys Mund hing offen wie zum Trocknen. »Die können doch gar nichts beweisen. Nie und nimmer kommen die vor Gericht damit durch. Und warum ist das keine Strafsache? Sie behaupten schließlich …«
    »Wir sind sogar bereit, bis zu zwanzig Milliarden zu zahlen, wenn sie uns überlassen, was sie haben. Und das verdammte Öl auf ihrem Land können sie auch behalten. Meinetwegen könnten sie ganz Montana bekommen, wenn sie sich nur vergleichen. Sagen Sie das Ihrem Partner, und wenn es Montag noch immer einen Fall gibt …«, Dix fuhr sich mit der Handkante über die Kehle, und ihr starrender Blick auf Mary wurde schneidend, »sind Sie draußen. Dann bin ich draußen. Dann sind wir alle draußen.«
    Als Mary ging, stand sie unter Schock. Sie begriff, was die Existenz dieses Prozessantrags zu bedeuten hatte: Nur eine undichte Stelle war denkbar, nur eins konnte schief gegangen sein. Sie rannte den Korridor hinunter und schloss sie sich im Waschraum ein.
    »Jude, du asozialer Scheißkerl!«, stieß sie hervor. Sie war so wütend, dass sie kaum bemerkte, wie sie mit der Faust gegen die Wand schlug, so fest, dass mit einem Knacken ihr rechter Mittelfinger brach.
    Sie setzte sich auf den Toilettensitz und sah zu, wie ihre Hand anschwoll und sich rötete. Als es schließlich schlimmer schmerzte, als sie aushalten konnte, hatte sie sich so weit beruhigt, dass sie den Waschraum verlassen und sich an die Arbeit machen konnte.
     
    Jude sah vom Ende der Straße zu, wie der Chauffeur seinen Wagen wegfuhr. Der Schlüssel zum U-Stor-It klebte noch immer

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