Mara und der Feuerbringer, Band 3: Götterdämmerung (German Edition)
erzählt! Auch Papa nicht! Oder vielleicht hast du es versucht, und er hat das getan, was erst mal jeder tun würde. Er hat gezweifelt. Und das ist auch ganz normal, weil woher soll er wissen … woher solltest du wissen, oder ich! Wir hatten doch beide keine Ahnung, Mama! Dabei ist es genau, wie der Professor gesagt hat, du hast bisher einfach nur an der falschen Stelle nach Antworten gesucht. Bei den Wiccas, bei dämlichen Seminaren und idiotischen Gurus, in Drahtpyramiden, Celtic Energy Discs™ und Fokus Stones™. Ich hatte einfach nur Glück, dass mir ein Zweig erklärt hat, was mit mir nicht stimmt … mit uns … Blödsinn … mit uns stimmt doch gar nicht nichts – mit uns ist alles in Ordnung, Mama! Oh Mann …
Mara hatte für keine Sekunde den Feuerbringer vergessen. Ganz im Gegenteil. Aber sie spürte, sie wusste, dass dieser Moment wichtig war! Nicht nur für sie, sondern für den Ausgang dieses ganzen Wahnsinns, der sie umgab! Sie sah außerdem ganz genau, wie es im Kopf von Professor Weissinger ratterte, und sie war hundertprozentig sicher, dass er mindestens so ähnlich dachte wie Mara, wenn nicht sogar exakt das Gleiche. Auch Steffi, Loki und Sigyn schienen die Bedeutung des Augenblicks zu spüren.
Wortlos trat Lokis Frau an Maras Mutter heran und streckte einfach nur die rechte Hand aus. Dann erst begann sie zu sprechen, ganz leise und doch bestimmt: »Du hast viele Schichten, Frau … doch vergraben unter Zweifel, Traurigkeit und falschem Rat … spüre ich dich … «
Mama hob überrascht ihren Blick, so als wäre sie gerade aufgewacht, sagte aber kein Wort. Irgendetwas in den Worten von Sigyn schien sie in ihrem Innersten zu berühren. Da schaute Sigyn Maras Mutter erstaunt in die Augen und sprach: »Ich sehe dich … Veleda.«
Der Professor sog erschrocken die Luft ein, und sogar Loki war die Überraschung anzusehen.
»Was? Was denn? Was ist denn los?«, platzte es aufgeregt aus Mara heraus: »Ist das was Schlimmes, gut, schlecht, irgendwas? Hallo!«
»Nun ja«, antwortete der Professor zögerlich. » Veleda war die Seherin der Brukterer, im heutigen Westfalen.«
Steffi runzelte die Stirn. »Aber Veleda hat doch nicht den Drusus aufgehalten.«
»Ganz recht«, stimmte ihr Exmann zu. »Die Drusussage bezieht sich schließlich auf dessen Tod um neun vor Christus.«
»Ein Menschenleben danach, so ist es«, antwortete Sigyn. »Denn so wie Veleda damals das Talent ihrer Mutter erbte, und diese von der ihren, so wirst auch du dereinst Trägerin der Kräfte deiner Mutter Christa sein.«
Professor Weissinger und Steffi schauten baff zwischen Mara und ihrer Mutter hin und her, aber Mara achtete kaum auf sie. Sie streckte eine Hand aus und ergriff die Rechte ihrer Mutter. Die umschloss Maras Hand mit beiden Händen, ließ dabei aber Sigyn nicht aus den Augen.
»Bis das passiert, bist du, Mara, eine Spákona «, sagte Sigyn. »Gesegnet mit dem Talent zu sehen, aber zugleich ein leeres Behältnis, das noch gefüllt werden kann mit jedweden Kräften, die man bereit ist, dir zu geben.«
»Jedweden«, flüsterte der Professor zuerst und flüsterte dann vor Aufregung überhaupt nicht mehr: »Mara! Das ist es! DAS ist die Erklärung, ich werd verrückt, das ist es!«
Sigyn lächelte und sprach weiter: »Sobald die ehrwürdigen Kräfte deiner Mutter auf dich übergehen, Mara, Litilvölva, Spákona … wirst du diese Fähigkeit verlieren. Denn dann wirst du ausgefüllt sein, von der viele Hundert Jahre alten Macht der einen Seherin, die allen weiteren ihre Kräfte gab. Die Einzige, die den Göttern jemals ebenbürtig war, und schließlich eine von ihnen wurde.«
Sigyn lenkte ihren Blick nach innen und sprach:
Da wurde Krieg in der Welt zuerst,
als sie Gullveig mit Speeren stießen,
und sie in der Halle des Hohen verbrannten;
dreimal verbrannt, wurd sie dreimal geboren,
oft, unselten, doch ist sie am Leben.
Daraufhin ließ Sigyn ihre Hand sinken und schwieg.
Der Professor war der Erste, der seine Sprache wiederfand. » Gullveig . Die geheimnisvolle Seherin aus der Völuspá, die die Götter erst versuchten zu vernichten und dabei so glorios scheiterten … wurde eine von ihnen?«
Steffi war ebenso das Erstaunen anzusehen wie ihrem Exmann. »Also stimmt die Theorie, dass Gullveig eigentlich die Göttin Freyja ist oder zu ihr wurde?«
Der Professor lachte. »Ich werd verrückt, da hätte sich der alte Gabriel sicher gefreut, das zu hören.«
»Professor Gabriel Turville-Petre«, ergänzte
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