Mara und der Feuerbringer
Herr Haase!
Und hoffentlich kam sie bald, denn Larissa brauchte wirklich dringend Hilfe. Sie war immer noch kalkweiß im Gesicht und ihr Blick hatte sich irgendwo zwischen Pupille und Zimmerdecke im Nirwana fokussiert. Vorsichtig hob Mara Larissas Oberkörper an und schälte sie mühsam aus der feuchten Jacke. Dann zog sie ihre eigene Jacke aus und legte sie wie eine Decke über das zitternde Mädchen. Mit dem Handtuch wischte sie Larissa die völlig verschmierte Wimperntusche aus dem Gesicht, bevor sie es ihr um die nassen Haare wickelte. All das ließ Larissa teilnahmslos mit sich geschehen und sagte keinWort. Aber als sich Mara auf den Stuhl setzen wollte, ergriff Larissa sofort Maras Hand und ließ sie nicht mehr los. Darum musste Mara in einer äußert unbequemen, halb gebückten Position verharren. Aber obwohl ihr bald der Rücken höllisch weh tat, blieb sie so lange in dieser unmöglichen Haltung stehen, bis die Ärztin die Tür öffnete.
Mara versuchte sich von Larissa zu lösen, denn sie musste den Raum verlassen, um Platz für die äußerst füllige Dame zu machen. Da zog Larissa Mara zu sich heran und flüsterte ihr ins Ohr: »Du hast es auch gesehen, oder? Nur du und ich, wir haben es gesehen, stimmt’s?«
Mara wollte erst reflexartig verneinen, aber stattdessen sagte sie so leise, dass die Ärztin es nicht hören konnte: »Ja, ich hab’s auch gesehen.« Und weil sie ganz genau wusste, was Larissa gerade durch den Kopf ging, setzte sie noch hinzu: »Du bist nicht verrückt, Larissa. Glaub mir.«
Larissa sah Mara mit einem undefinierbaren Blick direkt in die Augen. Mara dachte erst, sie würde wieder anfangen zu weinen – doch dann entspannte sich das erschöpfte Mädchen und sank mit einem tiefen Seufzer zurück auf die Liege. Endlich ließ sie auch Maras Hand los.
Als Mara ihr beim Hinausgehen noch einmal einen letzten Blick zuwarf, von dem sie hoffte, dass er irgendwie aufmunternd aussah, brachte Larissa sogar ein kleines dankbares Lächeln zustande.
Dann füllte der presswurstförmige Leib der Ärztin Maras Blick, stopfte sich leise schimpfend in das viel zu kleine Zimmer und nach drei erfolglosen Versuchen schaffte es Frau Doktor sogar, die Türe hinter sich zu schließen, denn vorher war ihr leider immer die eigene Hüfte im Weg gewesen.
Hoffentlich erstickt Larissa jetzt nicht da drin, dachte Mara, als sie langsam zurück in ihre Klasse ging. Sie hatte es nicht besonders eilig. Im Moment wurde dort oben sowieso nicht gerade eines ihrer Lieblingsfächer unterrichtet. Was allerdings auch kein Wunder war,denn Mara hatte kein einziges Lieblingsfach. Irgendwie konnte sie alles ein bisschen und nichts wirklich gut.
Ja, aber andere Leute zu Tode erschrecken, das kann ich super, dachte sie, und ihr schlechtes Gewissen wuchs an auf die Größe Australiens.
Gerade als Mara die Tür zum Klassenzimmer öffnen wollte, hallte der erlösende Gong durch das Gebäude. Sofort platzten Maras Klassenkameraden aus dem Raum. Mara blieb einfach hinter der Tür stehen, bis alle den Gang hinunter verschwunden waren. Sie hatte keine Lust, jetzt auch noch irgendwelche Fragen über Larissa zu beantworten. Erst als keiner mehr zu sehen war, trottete sie an ihren Platz im Klassenzimmer, um ihre Tasche zu holen.
Als sie sie anhob, stutzte sie: Die Tasche war viel zu schwer … und darunter hatte sich eine Pfütze gebildet …
Als Mara die Tasche öffnete, ahnte sie eigentlich schon, was sie erwartete. Trotzdem musste sie sich erst mal setzen, als sie ihren Bleistiftspitzer auf der Wasseroberfläche tanzen sah. Irgendwer hatte also mal wieder eine witzige Idee gehabt, wie man die Spinnerin ärgern konnte. Na supi.
Okay, das ist auf jeden Fall immer noch eine milde Strafe für das, was ich heute angestellt habe, dachte Mara und seufzte.
Schließlich entschied sie sich dagegen, das Wasser auszuleeren, und ließ die Tasche einfach stehen. Auf Bücher-und-Hefte-Trocknen hatte sie jetzt wirklich keinen Bock! Sie würde morgen einfach wiederkommen und dafür sorgen, dass ihr Klassenlehrer dabei war, wenn sie die Tasche öffnete. Sollte der doch rausfinden, wer sich diesen Spaß erlaubt hatte! Dass sie es nicht selbst war, würde er ja wohl gerade noch kombinieren. Und wenn sie Glück hatte, gingen für die unausweichliche Schuldbefragung vielleicht auch noch ein paar Minuten des Unterrichts drauf. In der ersten Stunde morgen früh hatte sie eh nicht gerade ihr Lieblingsfach.
Eigentlich hatte Mara vorgehabt, noch einmal
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