Mara und der Feuerbringer
– Hatten Sie, aha, und von wem, wenn ich fragen d… – Jaja, genau, Lorbeer das ist richtig. – Was? – Ach, es geht nur um ein gestohlenes und wiedergefundenes Mobiltelefon. Hat sich hiermit erledigt. Vielen herzlichen Dank und entschuldigen Sie die späte Störung. – Ja, danke, Ihnen auch. Wiederhören.«
Selten hatte sich ein Euro für Mara so gelohnt wie der für den Anruf bei der Auskunft und danach beim Professor. Sie war heilfroh, dass der Professor seine Mobilnummer hatte eintragen lassen und vor allem, dass er direkt rangegangen war, als sie ihn vorhin aus der U-Bahn-Station angerufen hatte.
Besonders hoch rechnete sie ihm an, dass er sofort eingewilligt hatte zu helfen, ohne auch nur eine einzige Frage zu stellen. Mara rang schwer mit einem triumphierenden Grinsen und konnte es gerade noch zu Boden wrestlen, als die Polizistin auf den roten Hörer drückte und Mara das Telefon zurückgab. Sie brachte zwar ein Lächeln zustande, aber ihre Augen sprachen Bände, als sie sagte: »Vielen Dank, kleines Fräulein, aber eigentlich entscheidet die Polizei im Allgemeinen selbst, wann sie irgendwelche Anrufe tätigt.«
»Oh, das … das … tut mir leid!«, stammelte Mara und nur dasErstaunen war gespielt, denn das Stottern war echt. »Ich … ich dachte, Sie wollten den Professor fragen, und darum hab ich …«
»Schon gut«, sagte die Polizistin. »Ist ja nix passiert.« Und doch war ihr anzusehen, dass sie Mara nicht traute. Dies sprach zwar für Frau Gassners Bauchgefühl, half ihr aber im Moment auch nicht weiter. Also verabschiedete sich die Polizistin recht knapp von Mutter und Tochter Lorbeer und wendete sich sichtlich unzufrieden zum Gehen. Ihr Kollege nickte nur brummig, und schon waren die beiden aus der Tür hinaus und ihre Schritte verhallten im Treppenhaus.
Mara hätte so gerne wieder mal tief durchgeatmet, aber sie wusste, dass sie ihre Fassade noch weiter aufrechterhalten musste, um nicht auch noch bei Mama Verdacht zu erregen. Also drehte sie sich mit dem strahlendsten Lächeln um, das sie nach so einem Wahnsinnstag zustande brachte, und sagte: »Mann, da hab ich ja echt noch mal Glück gehabt, oder?«
Mama sah sie komisch an, und darum setzte Mara zur Sicherheit noch mal nach: »Wegen dem Handy, mein ich.«
Nun seufzte auch ihre Mutter erleichtert: »Ja, aber in Zukunft mach bitte den Reißverschluss von deiner Jacke zu, Mara. Ich weiß nicht, wie oft ich dir das schon gesagt habe. Am Ende verlierst du noch den Geldbeutel mit deinem Schülerausweis, und du weißt doch noch, was für ein Theater das war, bis du endlich ein Foto hattest, das du in Ordnung fandest.«
Mara nickte, denn an diese Stunden im Fotoautomat erinnerte sie sich tatsächlich noch mit Grausen. Aber es tat gut, sich an solche Momente zu erinnern. Mara erschien es gerade völlig unfassbar, dass sie damals wirklich gedacht hatte, der Weltuntergang bestand aus einem albernen Passbild. Heute wusste sie, dass der Weltuntergang im Wesentlichen aus Schlange bestand, und seit ihrer Vision mit dem Feuerbringer hatte sie die Befürchtung, dass auch der einen großen Anteil daran haben würde …
Mamas Stimme weckte sie aus ihren Grübeleien: »Na, wenigstens hat Herr Dahnberger mal richtig was zu glotzen, wenn hier die Polizei bei uns auffährt. Hast du eigentlich schon was gegessen, Mara?«
Mara schüttelte den Kopf und bereute es sofort, denn ihr Nacken strafte sie dafür mit einem stechenden Schmerz.
Diese Grimasse blieb Mama nicht verborgen: »Was ist denn? Tut dir was weh?«
»Nein, nein«, beeilte sich Mara zu sagen. »Ich hab nur gerade gemerkt, dass ich echt einen Riesenhunger hab.« Und der zweite Teil war noch nicht mal gelogen, dachte sie, als sie das gähnende Loch an der Stelle bemerkte, wo bisher ihr Magen gewesen war.
»Na, dann komm mit in die Küche und hilf mir, dann geht’s schneller«, sagte Mama und erfüllte damit eins der gängigsten Mutterklischees: erst was anbieten und dann die Falle zuschnappen lassen. Mist.
Kapitel 3
M ara hatte nicht geahnt, wie viel Schmerzen man beim Gemüseschneiden, Kartoffelpüree-Rühren und sogar beim Fischstäbchen-in-der-Pfanne-Wenden haben konnte. Jede Richtung, in die sie ihren geschundenen Arm bewegte, war die falsche. Jede Bewegung, die sie mit dem Kopf machte, ohne gleichzeitig den Oberkörper mitzubewegen, war eine Tortur und jeder Schritt fühlte sich an, als würde ihr Oberschenkel explodieren.
Umso erstaunlicher, wie gut es sich letztlich doch
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