Mara und der Feuerbringer
sie es vor Schreck fallen gelassen hatte.
Natürlich
hatten sie die ersten Nummern aus der Anrufliste durchgesehen und
natürlich
waren sie ziemlich schnell auf die aussagekräftige Nummer
Mamahome
gestoßen. Man brauchte kein Superbulle zu sein, um zu ahnen, welche Nummer das wohl sein mochte. Also hatten sie angerufen, und jetzt erklärten sie ihrer Mutter wohl gerade, dass ihre Tochter aller Wahrscheinlichkeit nach diverse Passanten attackiert, sich danach eine Rolltreppe hinaufgebrüllt und schließlich eine Frau umgerannt hatte. Außerdem entzog sie sich einer Befragung durch die Polizei durch Flucht … Nicht schlecht für eine halbe Stunde …
Mara überlegte fieberhaft: Gleich würde Mama zur Tür hereinplatzen, um nachzusehen, ob ihre Tochter zu Hause war, Mara würde irgendetwas erklären müssen und eins war jetzt schon klar: Sie würde sicher nicht die Wahrheit sagen!
Als die Mutter von Mara Lorbeer tatsächlich dreißig Sekunden später ins Zimmer kam, fand sie es leer vor. Allerdings hatte ihre Tochter mal wieder das Fenster gekippt gelassen, obwohl sie
wusste
, dass das gefährlich war im Erdgeschoss!
Aber wäre Mama nicht ins Zimmer getreten und hätte das Fenster zugemacht, sondern hätte sich stattdessen umgedreht, wäre ihr aufgefallen, dass ihre Tochter neben der Tür stand und genau darauf gewartet hatte. Und wäre Frau Lorbeer auch nur eine Millisekunde schneller gewesen mit dem Fenster, dann hätte sie vielleicht noch einen letzten Rest ihrer Tochter gesehen, wie sie sich hinter dem Rücken ihrer Mutter aus dem Zimmer stahl …
Sekunden später huschte Mara aus der Haustür und duckte sich unter der Fensterbank von Nachbar Dahnberger entlang. Erst danach wagte sie es wieder, etwas tiefer zu atmen. Stolz lobte sie sich für ihre Geistesgegenwart, trotz allem noch eine andere Jacke und eine Mütze aus ihrem Schrank gerissen zu haben, um wenigstens aus der Ferne etwas anders auszusehen als das gesuchte Mädchen mit den gefährlichen Panikattacken.
Was nun folgte, war zwar vergleichsweise einfach, aber trotzdem ein gewagtes Spiel. Mara brauchte eine Weile, um ein öffentliches Telefon zu finden, aber es kam nun nicht mehr auf ein paar Minuten an. Sie wäre eh nicht in der Lage gewesen zu rennen, denn in den letzten Tagen hatte sie zu viel Sport getrieben – oder besser gesagt, war zum Sport getrieben worden.
Noch ein paar solcher Tage mehr und ich bin fit, dachte Mara und lachte fast. Aber wirklich nur fast.
Schließlich fand sie eins der seltenen Münztelefone im Zwischengeschoss der U-Bahn-Station Kolumbusplatz, wählte die Nummer von Zuhause und hielt die Luft an, bis sie die Stimme ihrer Mutter hörte: »Ja, Lorbeer hier?« Sie klang aufgeregt.
Bevor Mama irgendetwas dazwischenfragen konnte, plapperte Mara auch schon los und spulte ab, was sie sich überlegt hatte: »Hallo Mama, super, dass du zu Hause bist. Bin grad aus der Uni raus und es war total super, aber sag mal, kann man eine Prepaid-Karte sperren oder so? Ich hab nämlich heute Vormittag mein Handy verloren und ich will nicht, dass jetzt irgendwer mit meinem Telefon rumtelefoniert. Oder ist es besser, wenn wir die Polizei anrufen für den Fall, dass es irgendwer gefunden hat und nicht zurückgibt. Es tut mir echt leid, dass ich es verloren hab, aber es ist mir wahrscheinlich auf dem Weg zur Schule aus der Tasche gefallen, weil ich eine SMS schreiben wollte, dann aber aussteigen musste, und da hab ich wohl den Reißverschluss von der Jackentasche nicht zugemacht, bist du jetzt sehr sauer auf mich?«
Mara konnte nicht anders, sie musste jetzt erst einmal einatmen. Diese Chance nutzte ihre Mutter, um Mara von dem Anruf der Polizei zu erzählen. »Du liebe Zeit, Mara, ich hab mir schon solche Sorgen gemacht, weil ich natürlich dachte, dass du dieses verwirrte Mädchen warst, von dem mir die Polizei erzählt hat! Diese Person hat angeblich dein Telefon bei einem Überfall auf Leute an einer Rolltreppe verloren und ist dann geflüchtet. Und natürlich hab ich erst einmal gedacht, das wärst du gewesen! Na, dann komm jetzt erst mal nach Hause, und ich rufe bei der Polizei an und erkläre alles, ja, Maramaus?«
Mara schluckte eine Bemerkung zu »Maramaus« runter und schluckte sehr schwer daran. Stattdessen sagte sie: »Das tut mir so leid, Mama. Ehrlich.« Und meinte es auch so. »Also, dann bis gleich. Und danke, dass du nicht sauer bist!« Dann legte sie auf, atmete durch, hob den Hörer noch einmal ab und warf noch einen Euro
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