Mara und der Feuerbringer
Passenderweise ist der Vers, den du da gehört hast, auch aus verschiedenen Stellen der Oper zusammengeklaut. Es besteht daher kein Zweifel: Du hattest eine Vision von
Erfindungen
Richard Wagners.«
Mara war sprachlos. Die Erfindung eines Opernkomponisten hatte versucht, sie zu verbrennen? Und da fiel ihr noch etwas ein. »Wenn Loge nicht gleich Loki ist – wieso ist dann Lokis Frau bei Loge? Und sie muss es gewesen sein, denn ich habe sie erkannt! Und sie hatte auch die Holzschale! Das ergibt doch alles gar keinen Sinn!«
Der Professor überlegte. »Hm …«, machte er schließlich. »Das ist in der Tat alles sehr verwirrend. Mal abgesehen davon, dass du dann das einzige mir bekannte Mädchen wärst, das freiwillig von Wagneropern träumt. Und du hast natürlich auch recht mit deinem Hinweis auf Lokis Frau Sigyn. Von ihr findet sich nämlich bei Wagner keine Spur. In deiner Vision schon, und das ist wirklich sehr seltsam …«
»Seltsam? Ha! Das ist alles totaler Quatsch«, sagte Mara und fühlte ihr Hirn schwurbeln. »Wieso hab ich Visionen von einem echten Halbgott aus der germanischen Mythologie und einem erfundenen Feuergott aus einer Oper? Und warum bettelt mich der echte Halbgott durch übergewichtige Amis um Hilfe an, während mich der falsche Feuergott verbrennen will? Und dann steht auch noch die Frau vom echten Halbgott neben dem falschen Feuergott und löscht mich mit einem echten Wasserfall aus einer Holzschale! Das passt doch alles überhaupt nicht mehr zusammen! Das ist doch alles … das … hihi …«
Mara merkte, dass sie albern kicherte, und konnte nichts dagegen tun. Gleichzeitig schossen ihr Tränen in die Augen.
Der Professor versuchte, Mara zu beruhigen. »Hör mal, vielleicht wäre es eine bessere Idee, wenn du dich erst einmal ausschläfst. Du hast heute wirklich viel durchgemacht und es tut mir leid, dass ich dir nicht mehr helfen konnte, als noch mehr Verwirrung zu stiften. Das war wirklich nicht meine Absicht. Also, ich hole dich morgen am besten direkt von der Schule ab, damit du nicht wieder irgendwelchen schwarzäugigen Großmüttern den Joghurt zertrampelst. Und dann laufen wir ein bisschen durch den Englischen Garten. Wäre das ein Vorschlag?«
Mara nickte und erinnerte sich dann aber doch daran, dass ein Telefon solche Gesten nur sehr ungenügend übertrug. Darum nuschelte sie noch ein »Okay« hinterher.
Der Professor atmete hörbar auf. »Sehr gut, sehr gut. Vielleicht habeich bis morgen ja sogar ein bisschen mehr Durchblick. Ich werde auf jeden Fall über die ganze Sache nachdenken und meine Notizen noch mal überarbeiten. Vielleicht finde ich ja irgendetwas, das wir bisher übersehen haben. Und in Zukunft werde ich auf jeden Fall besser auf dich aufpassen. In Ordnung?«
»Ja, danke, okay«, sagte Mara leise und räusperte sich. »Äh, also, da ist noch was, über das Sie vielleicht nachdenken könnten, wenn Sie wollen.«
»Aber gern, bitte verfügen Sie frei über mein Gehirn, solange es noch funktioniert, Werteste«, antwortete der Professor und Mara konnte sich sein schalkhaftes Grinsen dabei vorstellen. Das fühlte sich schon wieder etwas besser an, aber trotzdem wusste sie nicht genau, wie sie es sagen sollte, und sagte darum erstmal:
»Also, ähm …«
»Na, komm schon, raus damit, Mara Lorbeer!«, sagte der Professor und er klang wirklich so, als rechnete er nicht gerade mit dem Schlimmsten.
Mara sagte es ihm.
Der Professor sagte: »Oh.« Und: »Hm, ja, denk ich mal drüber nach. Also dann …«
»Also dann …«, wiederholte Mara, weil ihr nichts Besseres einfiel.
»Gute Nacht und danke für alles!«
»Gern. Gute Nacht«, antwortete Professor Weissinger, legte auf, und plötzlich war es sehr still im Zimmer.
Na toll, dachte Mara. Sie hatte schon geahnt, dass der Professor ihren Wunsch nicht gerade als ein Kompliment auffassen würde. Aber der Professor war nun mal ein Büchermensch. Jemand, der vor allem …naja … Dinge
wusste
. Bis heute morgen hatte Mara auch gedacht, dass das ausreichen würde, um die Sache gemeinsam zu entwirren. Aber nach ihrer letzten Vision mit dem Feuerbringer war in ihr ein anderer Wunsch gewachsen. Seit diesem Höllentrip wünschte sich Mara nichts sehnlicher als …
…einen Beschützer.
Okay … einen Helden.
Okay … einen Helden mit einem sehr, sehr großen Schwert.
Kapitel 4
A ls Mara erwachte, war auf der Akku-Anzeige ihres Handys noch genau ein Strich zu sehen. Außerdem hatte sie noch genau 42 Minuten, bis Mathe
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