Mara und der Feuerbringer
losging. Aber Mathe war nicht gerade ihr Lieblingsfach. Trotzdem durfte sie auf keinen Fall zu spät kommen, denn sie wollte jede weitere Aufmerksamkeit vermeiden. Schlimm genug, dass man sie garantiert zu Larissa befragen würde. Bestimmt wusste inzwischen jeder, dass ausgerechnet Mara Lorbeer im Krankenzimmer Larissas Händchen gehalten hatte.
Aufstehen!, rief sich Mara innerlich zu und fiel aus dem Bett wie ein Sack voll Bampf. Jeder Teil ihres Körpers schien sich über Nacht in ein auf links gedrehtes Nadelkissen verwandelt zu haben. Überall piekte, stach, schmerzte oder pochte es.
Das Wrack, das Mara Lorbeer war, kletterte am Schreibtisch hoch und richtete sich auf. Von dort stieß es sich ab und ließ sich bis zur Tür treiben, wo es die Strömung eines leicht rammdösigen Rechtsdralls ausnutzte, um bis ins Bad zu schlingern.
Das gestaltete sich aus mehreren Gründen schwierig. Am hinderlichsten war, dass Mara nun auch noch begann, alles doppelt zu sehen! Man musste keine Seherin sein, um zu erkennen, dass das mit den höllischen Nackenschmerzen zusammenhing.
Mara hatte keine Zeit mehr, heiß zu duschen. Außerdem hätte siesich dann entscheiden müssen, welche der zwei Badewannen eigentlich die richtige gewesen wäre. Auch so verplemperte Mara wertvolle Sekunden damit, neben ihrer Zahnbürste mehrfach ins Leere zu greifen und die Zahnpasta überall, aber nicht auf ihrer Zahnbürste zu verteilen. Mit dem Gefühl, für heute wenigstens ihren Unterarm weitestgehend vor Karies geschützt zu haben, tappte Mara durch eine der beiden Türen aus dem Bad und entschied sich Gott sei Dank für die richtige.
So viel Glück hatte sie bei ihrem Kleiderschrank leider nicht, als sie versuchte, sich ein neues T-Shirt zu angeln, aber sie merkte schnell, dass keines ihrer Bücher aus dem Regal daneben dazu taugte, es über den Kopf zu ziehen.
Mama war natürlich schon weg. Sie arbeitete zurzeit in einer Bäckerei und ging darum schon immer um halb fünf aus dem Haus. Sie musste schließlich rechtzeitig die Aufbackbrötchen und -brezeln in den Ofen schieben, damit die Illusion von frischer Zubereitung wenigstens halbwegs gewahrt blieb. In Wirklichkeit kamen die sogenannten Teiglinge nämlich tiefgefroren aus China. Und der Name Teiglinge passte nicht nur auf die Backwaren, sondern auch auf die Leute, die sich davon täglich ernährten. Fand zumindest Mara.
Im Moment allerdings passte der Ausdruck auch ganz gut zu Mara selbst. Unkoordiniert teigelte sie sich durch die Wohnung, um einen halbwegs straßentauglichen Zustand zu erlangen. Irgendwann wankte sie endlich durch eine der beiden Türen in eins der beiden Draußens und atmete erst einmal durch.
Doch da kam ihr ausgerechnet Nachbar Dahnberger vom Müllhäuschen aus entgegen und schimpfte dazu irgendwas von: » … war ja klar, dass früher oder später die Polizei bei euch vorbeischaut!« Doch bei der Hälfte von »Kein Wunder, denn wer seinen Fernseher so lautdrehen muss, der hat doch Dreck am Stecken!« – also ziemlich genau bei dem Wort
so
– war irgendetwas sehr Mächtiges aus Maras Unterbewusstsein hinausgefahren und in Herrn Dahnberger eingeschlagen. Das Genörgel verstummte so urplötzlich, als hätte man bei einer Fernbedienung auf
Stumm
gedrückt.
Mara war aber viel zu sehr damit beschäftigt, die Balance zu halten, um sich jetzt auch noch nach ihrem Nachbarn umzudrehen. Hauptsache, er hielt die Klappe. Außerdem ging es jetzt ja auch noch darum, sich für eine der beiden U-Bahn-Stationen zu entscheiden, die vor ihr an den zwei Straßenrändern um Realitätsanspruch buhlten. Mara entschied sich für die linke.
Kurz darauf hatte sie wohl sogar die richtige Bahn von zweien bestiegen, denn etwas unter ihrem Hintern setzte sich spürbar in Bewegung und das war gut. Erschöpft sank sie im Sitz zusammen und schloss die Augen. Die gesamte Fahrt über massierte sie sich ohne Rücksicht auf eventuell verwunderte Blicke der anderen Fahrgäste den Nacken. Und bald fühlte der sich warm und etwas beweglicher an.
Als die mechanische Stimme die Haltestelle ihrer Schule schnarrte und Mara ihre Augen wieder öffnete, hatte sich der doppelte Blick immerhin schon so weit zusammengeschoben, dass es jetzt keine zwei Zugtüren mehr waren, sondern eine einzige matschig-unscharfe. Immerhin.
Zunehmend sicherer fand Mara den Weg durch das Schulgebäude hinauf in den dritten Stock zum Klassenzimmer. Sie kam gerade rechtzeitig, um ihren Mathelehrer Herrn Tonker mit nasser Hose
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