Mara und der Feuerbringer
Schlange sicher kurzen Prozess gemacht! Aber Mara war auf sich allein gestellt und musste selbst eine Lösung finden! Entweder die Schlange zog sich komplett zurück in die Schatten und tropfte irgendwo anders oder Loki zog sich zurück aus ihren Mitschülern!
Mara fasste sich ein Herz und trat näher an den tobenden Halbgott heran. Sie zwang sich, den Blick nicht abzuwenden, obwohl LokisGesicht von dem Gift fürchterlich entstellt war. Doch dann stutzte sie. War nicht gerade eben noch auf Lokis Stirn eine tiefe blutige Narbe gewesen? Und da erkannte Mara, um wie viel grausamer die Strafe der Götter wirklich war: Denn die fürchterlichen Wunden verschwanden ebenso schnell wieder, wie sie gekommen waren. Und gleichzeitig hörte Mara es zischen, als sich das Gift dafür an anderer Stelle in die Haut fraß.
»Hallo? Hallo, Herr Loki?«, rief sie schließlich. »Ich bin hier. Mara Lorbeer, äh, die
Spákona
… die Sie gerufen haben. Können Sie meine Klasse jetzt bitte freilassen? Hallo?«
Aber anstelle einer Antwort schrie der Gefesselte nur noch lauter, und als Mara es über sich krachen hörte, konnte sie sich gerade noch mit einem gewagten Sprung vor einem weiteren herabstürzenden Kalkstein in Sicherheit bringen.
Das kann ich vergessen, dachte Mara verzweifelt, als sie sich mit dem Rücken an die Wand drückte. Der Kerl hört und sieht nix, solange das Zeug auf ihn runtertropft. Und an die Schlange irgendwo da oben komm ich niemals ran. Und selbst wenn – was tu ich dann mit ihr?
Aber plötzlich hatte Mara eine Idee: Lokis Frau Sigyn hatte ihn immerhin nur mit einer Holzschale vor dem Gift geschützt. War es wirklich so einfach? Gehetzt sah sich Mara in der Höhle um, doch sie fand nichts, das ihr geeignet schien. Also zog sie kurzerhand ihre Jeansjacke aus und wagte sich aus ihrer Deckung zu dem rasenden und zappelnden Gefangenen. Dabei ließ sie die Decke mit den unaufhörlich bröckelnden Tropfsteinen keinen Moment aus den Augen. Als sie an Lokis Kopfende stand, gab sie sich einen Ruck, warf ihm die Jacke einfach über Hand und Gesicht … und sah zu, wie sich das Gift durch ihre Jeansjacke fraß, als bestünde die aus einlagigem Klopapier.
Es dauerte nur Sekunden, bis die zerfressenen Reste ihrer Jacke auf beiden Seiten zu Boden fielen. Mara sah angeekelt zu, wie sich dasGift gierig weiter durch den Stoff fraß. Die Knöpfe und der Reißverschluss waren das Letzte, was sich unter beißendem Gestank in nichts auflöste, und dann war Maras Jacke einfach verschwunden.
So einfach war es also doch nicht. Es bestätigte außerdem, was Mara schon geahnt hatte: Dieses Gefäß war offenbar keine gewöhnliche Schale.
Aber was jetzt?
Ich stopfe ihm den Mund zu!, dachte Mara in ihrer Verzweiflung. Dann kann er nicht mehr schreien und die Leute in meiner Klasse auch nicht, und dann hört das Beben endlich auf! Sie brauchte also einen Knebel. Kurzerhand zog Mara ihren rechten Schuh und die Socke aus. Doch erst als ihr nackter Fuß den Steinboden berührte, kam ihr in den Sinn, dass Loki diesen Knebel dann wohl einfach mit seiner linken Hand wieder entfernen würde. Sofern er sich nicht die Nase zuhielt … Mara musste also zuerst seinen Arm wieder festbinden. Aber wie sollte sie die steinharten magischen Fesseln dazu bringen, wieder weich zu werden – igitt! – und sich um Lokis linken Arm zu legen?
Und wenn sie ihn stattdessen ganz befreite?, kam es ihr da in den Sinn. Doch sofort erinnerte sie sich an die Warnungen des Zweiges und seine Botschaft. Auch wenn Loki sie um Hilfe angebettelt hatte – sie war doch dazu auserkoren, Loki wieder zu
binden
, und nicht, ihn
freizulassen
, oder? Der Professor hatte außerdem keinen Zweifel daran gelassen, dass mit Loki nicht zu spaßen war.
Mara war verzweifelt. Was sollte sie tun? Verdammt noch mal, alles, was sie sich überlegte, führte zu nichts! Warum war es denn so schwierig herauszufinden, was sie tun sollte!? Im Fernsehen war es doch auch viel einfacher! Da wusste man als Zuschauer ja schon lange vor dem Helden, was der zu tun hatte, und wartete nur darauf, dass der endlich auch auf die Idee kam!
Auch wenn die Zeit in ihrer Welt viel langsamer verstrich – selbst innerhalb einer Sekunde konnte viel Schreckliches passieren. Was,wenn Lokis Schreie wirklich das Schulgebäude zum Einsturz brachten?
In diesem Moment flackerte es hell über ihr in der Tropfsteinhöhle und Mara erkannte die mit quadratischen weißen Paneelen abgehängte Decke ihres Klassenzimmers,
Weitere Kostenlose Bücher