Marathon Mosel
sein linkes Nasenloch krallte.
Das Kind erschrak, zog eine Schnute.
»Das war ein langes Fingernägelchen«, er wiederholte lächelnd seinen Singsang. »Ein langes Finger-, Fingernägelchen.«
Annikas Gesichtszüge entspannten sich. Er schaufelte ihr etwas von seinem Müsli in den Mund. Sie schmatzte. Ein Teil kullerte über ihr Hemdchen auf Waldes Hose. Er kratzte es herunter, aber der Stoff hatte sich dunkel verfärbt. So konnte er nicht zum Dienst gehen. Walde schaute auf seine Uhr. Es war kurz nach sieben. Eigentlich hätte er heute Urlaub gehabt.
Doris war hinter dem Sportteil der Zeitung verschwunden. Annika schluckte. Er fütterte sie mit einem weiteren Löffel Müsli. Es schien ihr zu schmecken.
»Steffens meint, dass Guy Peffer mindestens so fit ist wie Joschka Fischer vor seinem ersten Marathon«, kam es hinter der Zeitung hervor.
»Wie?«
»Hier ist ein Interview drin.« Doris’ Kopf erschien kurz über der einknickenden Zeitung, bevor sich das Papier wieder straffte.
»Keine Ahnung, wie fit der Fischer war.«
»Zumindest hat er die 42 Kilometer geschafft und danach noch einige mehr.«
»Ist der Steffens nicht auch ein Grüner?«
Die Katze landete neben der Kaffeekanne.
»Minka! Runter!« Walde vertrieb sie mit einer schnellen Handbewegung vom Tisch.
»Das scheint das Problem gewesen zu sein. Steffens sagt, dass er im Gegensatz zu Fischer bei Guy Peffer überredet werden musste.«
»Aha!« Walde hob Annika hoch und stand auf. »Und was hat ihn überzeugt?«
»Davon steht hier nichts.«
Walde schaute Doris über die Schulter: »Wahrscheinlich Geld oder Fürsprache bei einem aus dem LEADER-Programm der EU geförderten Forschungsprojekt über die Verlagerung der Lebensräume von Windenschwärmern im europäischen Raum. Wusstest du, dass in diesem Sommer Wanderfalter aus Nordafrika bis hoch zur Mosel eingewandert sind?«
»Der Steffens hat tatsächlich was mit Schmetterlingen zu tun.« Sie versuchte, die Zeitung gegen Walde abzuschirmen. »Du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn du mitliest.«
»Eigentlich wollte Annika einen Blick hineinwerfen.« Im gleichen Moment fiel dem Kind ein Rest Müsli aus dem Mund und landete auf Doris’ Kopf.
*
Ben hatte lange die Umgebung des Hauses beobachtet. Bevor er die Baustelle betrat, versicherte er sich, dass keine Polizei in der Nähe lauerte.
»Moment«, rief Elmar, als Ben die schmale Treppe hinaufging. Oben sah er, wie der dicke Mann ein Glättbrett in einen rechteckigen, mit Wasser gefüllten Kübel warf. Er zwängte sich an dem Besucher vorbei. Dann lauschte Ben den schweren Schritten auf der Treppe, als Elmar hinunterlief. Draußen wurden Autotüren geschlagen. Ben schaute sich nach Fluchtmöglichkeiten um, seine rechte Hand lag auf der Pistole.
Elmar atmete schwer, als er sich wieder aufrichtete. Er überreichte Ben eine Karte und ein Köfferchen. »Und Sie meinen, dass das da unten wirklich so interessant ist?«
»Ja, ist noch gar nicht erforscht. Interessiert Museum nicht.«
»Hm«, brummte der Kanalarbeiter und öffnete den Deckel des Köfferchens. »Damit wird da unten der Gasanteil gemessen. Hier wird es angeschaltet. Die Batterie ist frisch. Wenn der Pegel in den roten Bereich ausschlägt«, Elmar zeigte mit dem Finger auf die Skala, »dann nix wie weg. Sie verstehen?« Er korrigierte sich. »Haben Sie mich verstanden?«
Ben nickte. Er faltete die Karte auseinander. Sein Auge glitt über die Namen der Straßen, bis er einige fand, die ihm bekannt waren. Der Verlauf der Abwasserkanäle war mit dem jeweiligen Durchmesser eingezeichnet.
Ben nahm ein gerolltes Bündel Geldnoten aus seiner Brusttasche. Ein roter Gummi hielt die zehntausend Euro, diesmal in Fünfzigernoten, zusammen. Er legte das Geld auf einen umgedrehten schwarzen Eimer, der in der Mitte des Raumes stand, und hob die Hand zum Abschied. »Danke, ich melde mich wieder.«
Elmar fischte das Brett aus dem Bottich. Sein Blick fixierte das rötliche Bündel. Seine Kinnlade wurde nur noch von seinem Doppelkinn gehalten.
Ben stieg die Treppe hinab. »Moment«, rief der Mann hinter ihm her, »ich komme mit. Sie müssen wirklich Geld zu viel …«
*
Die große Runde war bereits im Konferenzraum versammelt, als Walde eintrat. Seine Uhr zeigte kurz nach acht. Er spürte, dass man nur noch auf ihn gewartet hatte.
»Um es vorweg zu nehmen, wir wären sowieso hier. Meine Kollegen werden in zwei Stunden eintreffen.« Der LKA-Mann von Manstein kam auf Walde zu und drückte
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