Marathon Mosel
schwach beleuchteten Gang entlang. Er hatte kein Radio gehört. Was der Kanalarbeiter sagte, lieferte die Erklärung für die gewaltige Polizeipräsenz.
An der Wand lehnte die große Plastiktüte, in der Elmar zwei Tage zuvor die Stiefel, Helme und den übrigen Kram hergebracht hatte. Obwohl es hier nur leicht modrig roch, hatte Ben wieder den Geruch nach Kloake in der Nase. Elmar folgte ihm.
»Ich reise morgen ab und bringe dann zurück Sachen.« Ben schaute Elmar in die Augen.
»Ich hatt’ schon ein bisschen Angst, sie könnten einer von denen …«, Elmar unterbrach sich, »aber dat kann ich mir gar nit vorstellen.«
»Sie können sich verlassen. Von Radio weiß ich nichts.« Ben deutete zur nächsten Tür, die zum Kanal führte. »Da ist was mit Schloss kaputt.«
»Das war doch am Freitag noch in Ordnung.« Elmar ging an Ben vorbei auf die Tür am Ende des Gangs zu. Ben umfasste den Griff der Pistole in seinem Hosenbund.
*
»Meinst du, sie hält durch?«, fragte Walde, als sie sich vor der Haustür in den Strom der Läufer einreihten, die sich warm liefen. Annika nuckelte an ihrem Schnuller und betrachtete neugierig die bunten Trikots der Leute.
»Sie ist es gewohnt«, sagte Doris. »Es hat ihr bisher immer im Babyjogger Spaß gemacht. Wenn sie müde ist, kann sie schlafen. Und du, bist du fit?«
»Keine Ahnung.«
»Ist die Terrorgeschichte immer noch ein Thema?«
»Keine Ahnung.« Walde löste Doris am Wagen ab. Er ließ sich problemlos mit einer Hand schieben, solange er nicht auf der Straße gehenden oder Dehnübungen machenden Läufern ausweichen musste. Neben ihnen in der Allee war noch mehr los. Weiter vorn hing ein Transparent mit START in großen Lettern über der Straße.
Walde schaute auf die Uhr. »Noch zehn Minuten«, rief er Doris zu. »Lass uns umkehren, da vorn wird’s eng.«
»Aber dann steh’n wir beim Start zu weit hinten.«
»Keine Sorge, tu’, was man dir rät.« Ralf Steffens hatte zu ihnen aufgeschlossen und schaute interessiert in den Babyjogger. »Wie heißt denn eure Nummer eins?«
»Annika«, antwortete Doris. »Woher weißt du, dass es die Erste ist?«
»Steht ja vorne drauf.« Steffens beugte sich zu Annika hinunter. »Ich bin der Ralf. Schmeckt der Schnulli?« Er kam wieder hoch. »Meine Tochter wird am nächsten Sonntag ein Jahr alt. Und Annika?«
»Sie ist sechs Monate.« Walde las auf Steffens’ Rücken die Aufschrift MOIJEN. »Wo ist der Außenminister?«
»Der drückt sich irgendwo in den Hecken rum oder sucht sich ein stilles Örtchen für ein letztes Angstpippi vor dem Start.« Steffens grinste. »Es kommt nicht gut, wenn der luxemburgische Außenminister von einem Paparazzo dabei abgelichtet wird, wie er in die öffentliche Parkanlage eines befreundeten Staates pisst. Das könnte, wenn nicht zu internationalen Verwicklungen, doch zu einigen Peinlichkeiten führen.«
Walde überlegte, ob er nicht selbst auch noch mal musste.
»Nicht, dass er den Start versäumt.« Doris grinste Steffens an.
»Dafür haben wir ja den kleinen Chip am Schnürsenkel, damit keine Sekunde verloren geht. Egal wie weit wir hinten stehen, unsere Zeit läuft erst an, wenn wir die Startlinie passieren.«
*
Ein Geruchscocktail aus Sonnencremes, Franzbranntwein und Ölen umwaberte Walde, als er in dem Gewimmel vor dem Start stand. Nervös hielt er den Finger an seiner auf Null gestellten Stoppuhr, gab Doris einen flüchtigen Kuss und versicherte sich, dass Annika noch ihren Schnuller hatte, obwohl der an einem Bändchen mit Clip an ihrem Shirt befestigt war.
Der Startschuss ertönte. Walde drückte aus Reflex die Stoppuhr, versuchte loszulaufen, aber vor ihm standen noch alle. Es dauerte einige Zeit, bis sie endlich losgehen konnten. Anfangs noch langsam, dann fielen sie in Trab und mussten urplötzlich wieder stehen bleiben. Schließlich liefen sie durch die Startzone und erreichten die Nordallee. Soweit das Auge reichte, zog sich der Lindwurm aus Läufern über die breite Straße.
Walde schob den Wagen und ließ sich von der guten Stimmung der Leute um ihn herum anstecken, die den Zuschauern an der Porta Nigra zuwinkten und ebenso wie er froh waren, dass es endlich losging. Gegenüber auf dem Vordach des Hotels stand eine Reihe Polizisten.
Zwei an den Zuschauern am Straßenrand vorbeifahrende Polizeimotorräder überholten sie. Einer der Fahrer winkte ihnen zu. Walde brauchte eine Weile, bis er Harry in der grünen Lederkluft unter dem weißen Helm erkannte.
»Du bist zu
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