Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marathon Mosel

Marathon Mosel

Titel: Marathon Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
Vom Netzwerk:
versuchte nachzumachen, wie sie die Packung mit den Zähnen aufriss, sie von außen nach innen aufrollte und dabei den Inhalt in den Mund drückte. Ein Teil der Nahrung lief ihm über die Finger. Sofort bildete das getrocknete Zeug einen klebrigen Film auf der Haut. Walde versuchte, ihn abzureiben, und verteilte dabei das Gel auf beide Hände. An der nächsten Versorgungsstelle musste er etwas dagegen tun, aber bis dahin waren es noch einige Kilometer.
    *
    Ben nahm seine Umwelt wahr, als würde er fernsehen und hätte den Ton leise gestellt. Er konnte die Durchsagen aus den Lautsprechern und den Applaus der Zuschauer, die die Läufer anfeuerten, nur erahnen.
    Es war anders gelaufen als geplant. An Flucht war noch nicht zu denken. Nun war der große Moment gekommen. Seine Devise hieß: Maximaler Verlust an Menschen und Material.
    *
    Die Domglocken läuteten. Waldes Spannung wuchs. Es war Punkt zwölf. Seit fast drei Stunden waren sie nun unterwegs. Bald kam die Dreißig-Kilometer-Marke. Das war die weiteste Strecke, die er jemals am Stück gelaufen war. Fünfmal waren sie in der Vorbereitung über diese Distanz gegangen. Was würde der in Läuferkreisen gefürchtete »Mann mit dem Hammer« für eine Erfahrung bringen? Wie die Experten berichteten, hatte sein Körper spätestens bei fünfunddreißig Kilometern alle Kohlehydratreserven aufgebraucht und begann, die Fettreserven zu verbrennen. Je nachdem, wie abrupt das erfolgte, konnte es bis zu einem kräftemäßigen Totaleinbruch führen.
    »Wie ist es?«, fragte er zu Doris hinüber.
    Unter der Konrad-Adenauer-Brücke kühlte eine heftige Windbö seine verschwitzte Haut. Walde spürte, wie ihm der Schweiß über Stirn, Schläfen und Hals lief. Sein Laufhemd war auf der Brust dunkel gefärbt.
    Eine endlose Läuferkarawane war unterwegs, soweit er die schnurgerade verlaufende Straße überblicken konnte. Die Spitzenläufer waren schon längst im Ziel.
    »Los, die paar Meter schafft ihr auch noch!«, feuerte Gabi sie an. Sie machte sich am Versorgungsstand nützlich. Neben ihr harrten Grabbe und Meier aus. Meier wie schon bei der ersten Runde mit einer Zigarette im Mundwinkel. Walde warf einen prüfenden Blick nach Asche in die beiden Wasserbecher, bevor er einen an Doris weiterreichte. Er trank in kleinen Schlucken und schüttete sich den Rest über den Kopf. Etwas streifte seine linke Wade. Das hatte ihm noch gefehlt! Am rechten Laufschuh hatten sich die Schnürsenkel gelöst. Er übergab Doris den Kinderwagen, kniete sich an den Straßenrand und schnürte den Schuh wieder zu. Zur Sicherheit machte er auch auf den linken einen doppelten Knoten. Dabei fiel sein Blick auf den gelben Plastikchip, durch den er den weißen Schnürsenkel gezogen hatte.
    Noch während er sich mit beiden Händen von dem heißen Asphalt abstieß, wiederholte er im Geist die Nummer: EF – 22FS2. Seine Oberschenkel schmerzten, als habe er starken Muskelkater. Er hatte Doris und Annika aus den Augen verloren. Sie waren weit vorn. Seine Beinmuskulatur war verhärtet. Er brauchte einige Meter, bis er wieder in Fahrt kam. Er musste es vermeiden, nochmals stehen zu bleiben. Obwohl Doris in kleinen Schritten hinter dem Babyjogger hertrabte, kam Walde ins Keuchen, bis er sie eingeholt hatte. Sie passierten die Feuerwache. Annika brabbelte. Die Römerbrücke und darüber der Markusberg mit der Mariensäule schoben sich zum zweiten Mal für heute in sein Blickfeld. Der Schweiß lief ihm in Strömen über das Gesicht. War es ein Flugzeug oder hörte er Donnergrollen?
    »Ist es das, was ich – vermute?« Er schaute zu Doris hinüber, die skeptisch das Gesicht verzog.
    »Vielleicht zieht – es vorbei.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann ruf’ ich – Marie an. Sie hat versprochen, falls wir nicht – gerade in Pfalzel schlappmachen, uns auf der Strecke abzuholen.«
    Ein Blitz zuckte über den Himmel. Ein heftiger Donner folgte. Sie würde es bestimmt nicht riskieren, im Gewitter mit Annika weiterzulaufen. Vollkommen zusammenhanglos fiel Walde das Blatt Papier mit dem schraffierten Code aus dem Hotelzimmer ein, dessen Rätsel sie nicht gelöst hatten.
    »Entschuldige«, Walde fischte sein Handy aus dem Netz des Kinderwagens. Monika war in ihrem Büro. Keuchend bat er sie, den Code herauszusuchen, und beendete das Gespräch.
    Sie passierten die alten Moselkräne. Die roten Felsen des Palliener Ufers tauchten auf. Walde schaute zum Himmel. Die Wolken schienen näher gekommen zu sein. Im Kinderwagen klingelte

Weitere Kostenlose Bücher