Marathon Mosel
Waldes Handy. Er nahm es heraus.
»Manche können sich wohl nie von ihrem Schwätzbrett trennen«, gab ein Läufer neben ihnen seinen Kommentar ab.
»DN – 41NV7«, las Monika vor.
»Shit!« Mit dem linken Fuß trat Walde auf einen leeren Becher und kickte danach mit dem rechten einen Schwamm weg. Er geriet ins Stolpern, fing sich wieder. Dabei glitt ihm das Telefon aus der Hand und landete auf der Straße. Das splitternde Geräusch verhieß nichts Gutes. Walde sammelte die Einzelteile des Handys auf. Dabei musste er aufpassen, dass die von hinten kommenden Läufer ihn nicht anrempelten. Endlich hatte er alle Teile zusammen. Er spurtete vorwärts und holte Doris an der Kaiser-Wilhelm-Brücke ein.
»Ich muss«, Walde schnappte nach Luft, »zurück, tut mir Leid, aber es«, wieder brach er ab, »geht nicht anders.«
»Das ist doch nicht – dein Ernst!« Doris lief gleichmäßig weiter.
»Tut mir echt Leid.« Walde war klar, dass er jeden Meter wieder zurücklaufen musste.
»Wenn es dir Leid tut, dann lauf weiter.« Doris war unerbittlich.
»Es geht wirklich nicht.« Walde blieb stehen und sah zu, wie sie kopfschüttelnd mit den anderen Läufern in einem Bogen auf die Brücke zulief.
*
Die Abdeckung des Akkufachs fehlte. Walde hielt die Batterien mit den Fingern fest. Erst beim zweiten Versuch erreichte er Monika im Präsidium.
»Ich muss ganz dringend den Barthel sprechen.« Walde hielt sich nicht mit Erklärungen auf. »Hast du seine Nummer?«
»Der steht mit dem Mikro am Ziel. Aber es gibt …« Das Handy hatte sich ausgeschaltet.
»Shit«, Walde warf die Teile auf den Rasen, wie er es in den letzten Stunden mit ausgedienten Schwämmen und Bechern gemacht hatte.
»Ich merk mir deine Nummer!« Die autoritäre Stimme gehörte einem Läufer, der hinter einem Busch hervorkam, wo er sich offensichtlich erleichtert hatte.
»Was ist los?« Walde blickte über die Schulter zurück. Der Mann trug einen Gürtel um die Hüfte, in dem, wie in einem Patronengurt, kleine Plastikfläschchen steckten. Die meisten schienen leer zu sein.
»Willst wohl abkürzen?«
»Ich laufe nicht ins Ziel.« Walde setzte seinen Weg fort.
»Das kann jeder sagen!«, rief der Mann hinter ihm her.
Wieder blitzte es. Walde zählte bis fünf, dann folgte ein gewaltiger Donner. Schon als kleiner Junge hatten ihn Gewitter fasziniert. Für ihn, der von Geburt an in der Innenstadt gelebt hatte, brachten sie meistens die Erlösung von der feuchten Schwüle, die oft tagelang über dem Talkessel hing und alles Leben in der Stadt wie in Zeitlupe ablaufen ließ. Wenn es dann gegen Abend endlich krachte und blitzte, hatte man wieder Luft zum Atmen. Walde konnte dann mit seinen Freunden Nachlaufen spielen. An den gleichen Orten, an denen hundertfünfzig Jahre früher der junge Karl Marx herumgetobt war. Wie Walde irgendwann in Erfahrung gebracht hatte, wohnte der Philosoph damals sogar im selben Haus wie er.
Waldes Kollegen waren nicht mehr hinter dem Verpflegungsstand zu sehen. Er wollte einen der Helfer nach ihnen fragen, als sein Blick auf den anfahrenden Wagen fiel. Soweit er dazu noch in der Lage war, spurtete Walde hinterher und gestikulierte mit den Armen. In dem mit Vollgas davonbrausenden Auto schien ihn niemand zu bemerken. Schließlich blieb Walde nach Luft ringend stehen, die Hände in die Hüften gestützt und den Oberkörper nach vorn gebeugt.
Neben ihm hielt ein Wagen mit quietschenden Bremsen.
»Was ist los?«, rief Gabi. Die Kollegen hatten tatsächlich zurückgesetzt.
Sobald Walde neben Meier auf dem Rücksitz saß, preschte Gabi los.
»War ein bisschen zu lang, gell?«, lästerte sie.
»Ich hab’ die Nummer«, stieß Walde keuchend hervor. »Die aus dem Hotelzimmer: DN – 41NV7. Die gehört zu einem Laufchip, mit dem die …« Er wartete, bis ein heftiger Donner nachließ. »Mit dem Chip wird die Laufzeit gemessen.«
»Ja und?«
»Wir müssen nur die Startnummer herausfinden, die zu dem Chip gehört, dann haben wir ihn.«
»Wen?«
»Den Attentäter, was weiß ich, wahrscheinlich wird er als Läufer getarnt den Anschlag ausführen.«
»Aber erst müssen wir zum Hauptmarkt, da ist ein Toter gefunden worden«, sagte Gabi und fügte hinzu. »Er wurde im Kanal erschossen.«
»Shit.«
Trotz Blaulicht und Martinshorn gab es am Stockplatz kein Durchkommen. Sie mussten den Wagen stehen lassen. Dicht hinter Gabi, die sich energisch durch die Menge kämpfte, folgten Grabbe, Meier und Walde.
Auf dem Hauptmarkt war
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